Fachartikel von Lisa Fässler, Oktober 2025

Psychologische Sicherheit: Der unterschätzte Erfolgsfaktor von Teams

Weniger als die Hälfte der Arbeitnehmenden fühlt sich sicher genug, bei der Arbeit sich selbst zu sein, Fehler zuzugeben und auch schwierige Themen anzusprechen (1, 2). Besonders Personen mit einer schlechten mentalen Gesundheit trauen sich weniger, offen auf ihre Vorgesetzten und Teammitglieder zuzugehen (1). Für diese negative Entwicklung ist unter anderem ein niedriges Level an psychologischer Sicherheit in den Teams verantwortlich (2). Psychologische Sicherheit beschreibt ein kollektives Sicherheitsgefühl, bei der Arbeit zwischenmenschliche Risiken eingehen zu können (3). Dazu gehören das Zugeben von Fehlern, das Vertreten einer anderen Meinung oder das Ansprechen von Schwierigkeiten ohne Angst vor negativen Konsequenzen.

Was macht Teams psychologisch sicher?
Psychologische Sicherheit im Team umfasst insgesamt vier Aspekte (4):

  • Gegenseitige Unterstützung und Zusammenarbeit
  • Inklusion von Diversität
  • Konstruktive Einstellung zu Risiken und Fehlern
  • Offene Kommunikation

Die Bereitschaft, sich gegenseitig unterstützen ist zentral für die Zusammenarbeit im Team. Rücksichtnahme auf aktuelle Belastungen und Ressourcen einzelner Mitglieder und eine entsprechende Planung verbessern den Zusammenhalt im Team und verhindern, dass Einzelne ausbrennen. Inklusion von Diversität bezieht sich darauf, dass sich alle Teammitglieder wertgeschätzt und angenommen fühlen, unabhängig von ihrem Hintergrund oder fachlichem Wissensstand. Wenn Unterschiede als Vorteil gesehen und diese bewusst angenommen werden, trauen sich Personen eher, ihre Meinungen und Ideen mit den anderen Teammitgliedern zu teilen. Eine konstruktive Einstellung zu Risiken und Fehlern bedeutet, eine Kultur zu schaffen, in der Fehler menschlich sind und offen im Team geteilt werden, damit alle daraus lernen können. Diese ist entscheidend für den Aufbau von leistungsstarken und innovativen Teams, denen es gelingt, ein Gleichgewicht zwischen dem Eingehen von Risiken und dem Erreichen von Erfolgen herstellen. Eine offene Kommunikation besteht, wenn Beiträge von Teammitgliedern anerkannt und der Status Quo hinterfragt werden darf. Dabei geht es nicht um das Überzeugen anderer von der eigenen Meinung, sondern lediglich darum, dass unterschiedliche Perspektiven akzeptiert und geschätzt werden.

Die psychologische Sicherheit unterscheidet sich zudem klar vom Vertrauen innerhalb eines Teams. Vertrauen bezieht sich auf eine andere Person und die Erwartungen an deren Verhalten, psychologische Sicherheit hingegen auf das gesamte Team und den Glauben an die geteilten Prinzipien und Normen.

Auch Führungskräfte sind gefragt
Eine wichtige Voraussetzung für die Schaffung einer psychologisch sicheren Arbeitsumgebung ist das Verhalten der Vorgesetzten. Führungskräfte, welche die vier Aspekte psychologischer Sicherheit in ihrem Führungsalltag verankern und vorleben, fungieren als Modell, an dem andere lernen können. Teammitglieder werden so dazu animiert, sich an diesen Standards zu orientieren und sie auch für ihr eigenes Verhalten zu setzen (5). Das Bestrafen von Fehlern oder das Lächerlich machen über Beitrage anderer hindert hingegen den Aufbau eines psychologisch sicheren Teams massiv, da die Mitarbeitenden lernen, beim nächsten Mal besser nichts mehr zu sagen.

Zudem überschätzen Führungskräfte das Level an psychologischer Sicherheit oft, vor allem je höher sie in den Hierarchiestufen aufsteigen. Ein fehlender Austausch mit Mitarbeitenden aller Hierarchiestufen kann dazu führen, dass sich Kaderpersonen, die eigene Fehler nicht offen eingestehen, nicht aktiv nach anderen Meinungen fragen und konstruktiv darauf reagieren, in einer sogenannten Echokammer bewegen, in der lediglich ihre eigene Perspektive verstärkt wird (6).

Psychologische Sicherheit als Treiber für Leistung, Innovation und Wohlbefinden
Psychologische Sicherheit gilt als Schlüsselfaktor für leistungsstarke und innovative Teams sowie gesunde Arbeitsumgebungen. Durch die offenere Kommunikation und häufiges voneinander lernen in psychologisch sicheren Teams verbessert sich zum einen die Leistung, zum anderen auch die kreative Ideenfindung und -umsetzung (3, 7). Gleichzeitig wirkt psychologische Sicherheit als Schutzfaktor für die psychische Gesundheit, indem sie Erschöpfung, Stress und Depressivität dämpft und zu einem höheren Wohlbefinden beiträgt (8, 9).

Auch für die Motivation und Bindung an das Unternehmen ist psychologische Sicher-heit zentral. Laut einer globalen BCG-Studie sinkt das Risiko eines Arbeitsplatzwech-sels innerhalb eines Jahres signifikant von 12% auf 3%, während Motivation, Zufriedenheit und Zugehörigkeit steigen (10). Dabei können Unternehmen bereits im Onboarding-Prozess von einer früh etablierten psychologischen Sicherheit profitieren. Eine klare Kommunikation, Mentoring und regelmässiges Feedback im ersten Quartal legen das Fundament für das Engagement, Zugehörigkeitsgefühl sowie die langfristige Bindung von neuen Mitarbeitenden (11).

Fazit
Psychologische Sicherheit ermöglicht eine offene Kommunikation, gegenseitige Unter-stützung und einen konstruktiven Umgang mit Fehlern. Dies steigert nicht nur die Teamleistung, sondern stärkt auch das psychische Wohlbefinden der einzelnen Mitglieder. Besonders in komplexen und anspruchsvollen Arbeitsumgebungen bietet ein psychologisch sicheres Team einen wirkungsvollen Schutzfaktor. Führungskräfte haben dabei eine Schlüsselrolle: Indem sie psychologische Sicherheit vorleben und aktiv fördern, schaffen sie die Grundlage für Engagement und langfristige Mitarbeiterbindung. Wer psychologische Sicherheit ernst nimmt, investiert nicht nur in ein besseres Miteinander im Team, sondern auch in die Zukunftsfähigkeit der gesamten Organisation.

Quellen:

  1.  World of Work Institute (2025). A white paper: The business case for belonging. How psychological safety drives engagement, wellbeing, and performance.
  2. Neser, D., Lushington, K., Zadow, A., Potter, R., Parkin, A., Richter, S., Pignata, S., Afsharian, A., Bakker, A., Dollard, M.F. (2023). Work, Digital Stress and Wellbeing Survey Report.
  3. Edmondson, A. (1999). Psychological Safety and Learning Behavior in Work Teams.
  4. Edmondson, A. (2018). The Fearless Organization
  5. Laloo, E., Coman, R., Hanley, N., Bakand, S. (2023). The impact of leadership on the psychosocial safety climate of organizations: A scoping review of the international literature
  6. Tagesanzeiger (11.09.2025). Abgehobene Chefs und verunsicherte Mitarbeitende: Was Fehlverhalten in Firmen begünstigt.
  7. Jin, H., Peng, Y. (2024). The impact of team psychological safety on employee innovative performance: a study with communication behavior as a mediator variable.
  8. Amoadu, M., Ansah, E., Sarfo, J. (2024). Preventing workplace mistreatment and improving workers’ mental health: A scoping review of the impact of psychological safety climate.
  9. Marenus, M., Marec, M., Chen, W. (2022). Association of Workplace Culture of Health and Employee Emotional Wellbeing
  10. BCG (2024). Psychological Safety Levels the Playing Field for Employees
  11. Hartley, M. (2024). Enhancing employee engagement and retention: the critical role of psychological safety in the onboarding process

Zur Person
Lisa Fässler

Fachartikel von Tamara Ruhberg

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