echo-Interview mit Marcel Borgo, Managing Director HP Schweiz

elipsLife echo: Herr Borgo, mit über 330 000 Mitarbeitenden in rund 170 Ländern gehört HP zu den umsatzstärksten IT-Firmen weltweit. Das Unternehmen gilt als ausserordentlich guter Arbeitgeber, wie unzählige Awards belegen. Trifft das auch für die Schweiz zu?

Marcel Borgo: Absolut. Wir haben als Arbeitgeber in der Schweiz soeben den Top Employer Award erhalten. Diese Auszeichnung von neutraler Stelle zeigt, dass wir die verschiedenen Kriterien erfüllen und als Schweizer Arbeitgeber einen guten Job machen. Hervorheben möchte ich besonders auch unsere für IT-Firmen ausserordentlich tiefe Fluktuationsrate, die bei 4,6 % liegt, während in unserer Branche Fluktuationsraten über 10 % die Regel sind. Darauf sind wir sehr stolz. Zudem gelingt es uns immer wieder, Abgänge durch interne Kandidaten zu ersetzen. Für uns ist das Talent-Management sehr wichtig. Wir gehören in der Schweiz zu denjenigen IT-Firmen, die viele Lehrlinge ausbilden. Ausserdem bieten wir Praktika und Einstiegsmöglichkeiten für Hochschulabgänger an.

Hat die Motivation Ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer messbare Auswirkungen, zum Beispiel in der Anzahl und Dauer von Absenzen?

Die Zufriedenheit unserer Mitarbeitenden messen wir jedes Jahr systematisch anhand einer weltweiten Befragung, die wir Voice of the Workforce nennen. Dabei haben wir letztes Jahr festgestellt, dass die Zufriedenheit massiv gestiegen ist – und das schlägt sich natürlich auch in der Leistungsbereitschaft nieder. Ich will jetzt aber nicht das Blaue vom Himmel erzählen, denn auch wir haben Mitarbeitende, die krank werden oder ein Burn-out erleiden. Davon sind heute alle Firmen betroffen. Wichtig ist aber, wie wir mit den Betroffenen umgehen. Unsere HR-Abteilung ist in diesem Bereich vorbildlich und kümmert sich intensiv um Betroffene. Ein anderes Beispiel: Dieses Jahr haben wir ein Programm lanciert, mit dem wir unseren Mitarbeitenden die Gelegenheit bieten, ihren Gesundheitszustand abzuklären. Wer will, kann anschliessend eine Gesundheitsberatung in Anspruch nehmen. Die Teilnahme ist freiwillig und anonym. Eines ist klar, ein Mitarbeiter, der krankheitshalber ausfällt, kommt die Firma viel teurer zu stehen als die Durchführung von Gesundheitschecks und einer Gesundheitsberatung.

Was zeichnet die HP-Kultur aus?

Wir feiern dieses Jahr als IT-Firma das 75 Jahre-Jubiläum und sind stolz darauf, seit 55 Jahren in der Schweiz vertreten zu sein. Die Schweiz war übrigens das erste Land ausserhalb der USA, in welchem HP eine Niederlassung eröffnete. Voraussetzung für diese nachhaltigen Erfolge ist unsere Unternehmenskultur, wir nennen das den HP Way. Der HP Way wird in zahlreichen Lehrbüchern als Paradebeispiel einer sehr guten Firmenkultur beschrieben. Er definiert die Werte, nach denen wir uns im Geschäfts- und Berufsleben richten und die verbindlich sind. Meg Whitman hat seit ihrem Stellenantritt als CEO diese Kultur verstärkt. Wichtig ist uns auch absolute Integrität, was wir mit den Standards of Business Conduct sicherstellen. Diese gelten weltweit. Alle Mitarbeitenden müssen jährlich ein Programm durchlaufen, in dem diese Standards trainiert werden. Am Schluss ist eine Prüfung abzulegen.

Sie haben bereits darauf hingewiesen: Gute Arbeitgeber haben in der Regel tiefe Fluktuationsraten. Wie stellt HP sicher, dass auch die langjährigen Mitarbeitenden im technologischen Wandel «fit» bleiben?

Eine gute Frage. Fit bleibt, wer sich Herausforderungen stellen muss und Selbstverantwortung übernimmt. HP alleine kann nicht sicherstellen, dass alle Mitarbeitenden fit bleiben, dazu braucht es Eigeninitiative, die wir selbstverständlich unterstützen und fördern. Wir bieten zahlreiche Trainings- und Weiterbildungsmöglichkeiten an, doch ist es jeder einzelnen Person überlassen, davon Gebrauch zu machen. Fit bleiben hat viel mit Eigenverantwortung zu tun. Letztlich ist jede und jeder Einzelne selber für ihren beziehungsweise seinen Marktwert verantwortlich.

HP gilt nicht nur als guter Arbeitgeber, die Firma hat sich auch der Nachhaltigkeit verpflichtet. Wie aber sieht Nachhaltigkeit aus in einer Branche, deren Produkte bereits veraltet sind, wenn diese auf den Ladentisch kommen?

So vereinfachen lässt sich das nicht. Wir haben verschiedenste nachhaltige Produkte und Services. HP hat Angebote im gesamten IT-Spektrum. Wenn Sie das mit einem Haus vergleichen, geht es nicht bloss darum, dass Ihnen ein Architekt einen Plan zeichnet, sondern es geht auch um das Bauen, die Einrichtung und den Unterhalt. HP bietet die ganze Palette an – und das hat in meinen Augen viel mit Nachhaltigkeit zu tun.

Welches sind aus Ihrer Sicht die Ingredienzen unternehmerischen Erfolgs?

Das Wichtigste ist kundenrelevante Innovation. Am Schluss geht es darum, das bessere Produkt, den besseren Service, die bessere Lösung zu haben. Dafür muss man innovativer sein als die Konkurrenz, schneller auf dem Markt sein und dies mit einem Preis-Leistungs-Verhältnis, das stimmt. Wer das schafft und dabei eine hohe Kundenzufriedenheit erreicht, wird im Markt auch erfolgreich sein.

Wie erkennt HP die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden?

Einerseits verfügen wir über eine grosse Vertriebsmannschaft. Diese Crew ist in permanentem Kontakt mit den Kunden und erfragt bzw. analysiert deren Bedürfnisse. Andererseits ist HP bekannt dafür, mit den Business Partnern über einen der besten indirekten Verkaufskanäle zu verfügen. Dieser Kanal multipliziert die Leistung unserer Sales-Mannschaft markant. Ein Channel-Betreuer bei HP hat zwischen 10 und 20 Business-Partner als Verkäufer und diese verfügen über sehr viel Know-how und Informationen. Diese Informationen kommen zu HP zurück und erlauben es uns, sehr genau zu sehen, wo die Kundenbedürfnisse liegen. Daneben machen wir selbstverständlich einen umfassenden Market Research und haben ein eigenes Research Labor. Aber die wichtigsten Informationen kommen aus unseren eigenen Marktanalysen.

HP hat zahlreiche, grosse Akquisitionen getätigt, Compaq oder EDS zum Beispiel. Welche Auswirkungen hatten diese Akquisitionen auf die Vorsorgelösungen von HP allgemein und in der Schweiz im Besonderen?

Wir sind stolz darauf, dass wir die Integrationen dieser Firmen auf eine sehr sozialverträgliche, offene und ehrliche Art vollziehen konnten – und das betrifft nicht bloss die Pensionskassen. Es war nicht so, dass jeweils einfach eine Firma einverleibt wurde und die bestehende Kultur unverändert blieb. Die Integration der übernommenen Firmen führte zu einer neuen Kultur. Auch die Pensionskassen wurden zusammengeführt. Die Integration war auch in diesem Bereich das Ziel und die Merger liefen ohne juristische Streitereien, Streiks oder Negativ-Schlagzeilen irgendwelcher Art ab. Wir konnten das jeweils sehr partnerschaftlich und einvernehmlich lösen. 2013 haben wir beispielsweise die Pensionskasse von EDS Schweiz in die HP Pensionskasse aufgenommen. Dabei nutzten wir die Gelegenheit, um die Reglemente den neuen Gegebenheiten anzupassen und insbesondere die zu erwartenden demografischen Veränderungen der kommenden Jahre zu berücksichtigen.

Was zeichnet die Vorsorgelösungen von HP in der Schweiz besonders aus?

Wir haben eine flexible Lösung, die es uns erlaubt, auf Entwicklungen im Markt zu reagieren. Dazu gehört ein garantierter Mindest-Zinssatz. Arbeitet die PK besser und erlaubt es uns der erreichte Deckungsgrad, geben wir das den Versicherten weiter. Gleichzeitig haben wir, im Gegensatz zu vielen anderen PKs, den Umwandlungssatz frühzeitig so verändert, dass wir einer ungerechtfertigten Umverteilung entgegen-wirken und in den nächsten Jahren nicht in Schwierigkeiten geraten sollten. Eine Besonderheit von HP ist zudem sicher die Firmengarantie. Die Pensionskasse von HP Schweiz profitiert vom Konzern, weil dieser mit einer Garantieleistungszusage die Anlageverantwortlichen unserer PK in die Lage versetzt, flexibler und bei Bedarf auch aggressiver als andere Pensionskassen zu investieren. In guten Zeiten können wir so Reserven bilden, und falls es einmal nötig wird, stopft der Konzern ein allfälliges Loch. Das ist eine klassische Win-Win-Situation.

Den Pensionskassen werden stürmische Zeiten vorausgesagt. Stichworte sind die demografische Entwicklung, tief reservierte Rentenbestände und tiefe Zinsen. Werden die PKs – und damit wir alle – Opfer von nicht finanzierbaren Leistungsversprechen?

Ich bin davon überzeugt, dass wir mit dem neuen Reglement hervorragende Voraussetzungen geschaffen haben, damit uns das nicht passiert – auch wenn es natürlich keine absolute Garantie gibt. Aber wir haben früh reagiert, die aus heutiger Sicht nötigen Änderungen vorgenommen und das den Versicherten auch entsprechend vermittelt. Es versteht sich von selbst, dass die Einführung des neuen Reglements bei uns nicht schmerzlos war. Wir haben die Leistungen angepasst und beispielsweise den Umwandlungssatz von 6,8 % auf 5,8 % gesenkt. Eine gute Übergangslösung und eine offene Kommunikation haben dafür gesorgt, dass die Anpassungen ohne Rechtsstreitigkeiten eingeführt werden konnten. Die Mitarbeitenden haben verstanden, dass wir eine nachhaltige Lösung gebaut haben – und das ist allen wichtig.

Sie haben es bestätigt, ein Leistungsabbau scheint unausweichlich. Bislang macht es den Anschein, als hätten immer nur die Beitragszahler die Lasten zu tragen. Wie lange können wir uns bei der Sanierung des Vorsorgesystems die Schonung der Rentner noch leisten?

Ich spreche hier nicht für die HP Pensionskasse, sondern als Bürger: Wir werden nicht darum herumkommen, die Rentenbezüger bei der Sanierung des Vorsorgesystems einzubeziehen. Ich bin überzeugt davon, dass es da eine «Mit-Trage-Pflicht» gibt. Es werden weniger Leute ins Berufsleben eintreten, als dass Leute in Rente gehen. Rein rechnerisch kann das über die Zeit nicht aufgehen – insbesondere bei der AHV nicht. Ich hoffe, dass man dies frühzeitig erkennt. Es wird jeder seinen Beitrag leisten müssen. Die Frage ist nicht, ob es dazu kommen wird, sondern wann. Fairerweise ist zu betonen, dass die Pensionierten bei HP wie auch wohl bei den meisten anderen Pensionskassen schon einen Teil beitragen, und das wird häufig vergessen: Wir haben in den letzten Jahren den Wünschen unserer Rentenbezüger nach einer Erhöhung der Renten – Stichwort Inflationsausgleich – nicht entsprochen. Und zwar ganz bewusst nicht. Das Lohnniveau in der Schweiz wird sinken und sich über die Zeit jenem unserer Nachbarländer anpassen. Sinkt in der Schweiz der Lebensstandard, wird sich das auf die Höhe zukünftiger Renten auswirken, da nicht mehr so viel Vorsorgekapital gebildet werden kann.

Welche Entwicklung erwarten Sie für die kommenden 3 bis 5 Jahre im BVG-Bereich?

Es wird vielerorts zu einer harten Landung kommen. Bei HP haben wir eine harte Landung vermieden, weil wir die veränderten Rendite- und Lebenserwartungen bei unserem neuen Plan berücksichtigt haben. Viele Kassen werden diese Anpassungen ebenfalls angehen müssen. Allerdings unter Zeitdruck, weil sie damit zu lange gewartet haben. Zudem werden wir uns an den Gedanken gewöhnen müssen, dass wir im Alter eine Rente bekommen, die zwar zum Leben reicht, die sich aber nicht mehr auf einer Höhe bewegt, wie wir uns das lange Zeit vorgestellt haben. Der heutige Standard wird sich nur wahren lassen, wenn jeder einzelne selber massiv in die Altersvorsorge investiert und Gelder spart. Mit der 3. Säule haben wir das geeignete Instrument dazu.

Wenn Sie den Pensionskassen in der Schweiz einen Rat geben könnten, wie würde dieser lauten?

Sie sollten jene Massnahmen, die sie umsetzen müssen, noch konsequenter angehen. Vorhandene Löcher werden sich nicht einfach in ein paar Jahren stopfen lassen. Also ist es ratsam, Sanierungen rasch an die Hand zu nehmen, um ein Desaster zu vermeiden. Wichtig ist es, mit den Mitarbeitenden offen zu sein und diese einzubinden. Wir haben das gemacht und sehr viel kommuniziert, weil es wichtig ist, die Mitarbeiten den an den Veränderungsprozessen zu beteiligen. Auch auf Gesetzesebene erwarte ich mehr Tempo. Was bei den Rahmenbedingungen gemacht werden muss, sollte schnell geschehen und nicht erst, wenn es zu spät ist. Wir haben heute ein sehr gutes Pensionskassensystem, das es unbedingt zu schützen gilt.