Andrea Scherz - General Manager und Mehrheitsaktionär des Luxushotels Gstaad Palace
ECHO-INTERVIEW, JANUAR 2015

Wir werden alle den Gürtel enger schnallen müssen

ELIPSLIFE ECHO - EINE GESPRÄCHSSERIE MIT PERSÖNLICHKEITEN AUS DER WIRTSCHAFT

Wir werden alle den Gürtel enger schnallen müssen

echo-Interview mit Andrea Scherz, General Manager und Mehrheitsaktionär des Luxushotels Gstaad Palace

elipsLife echo: Herr Scherz, was zieht die Superreichen aus aller Welt ins Gstaad Palace?

Andrea Scherz: Zunächst möchte ich festhalten, dass Gstaad ein sehr schöner Ort ist. Für mich einer der idyllischsten Bergkurorte überhaupt. Er liegt nicht allzu hoch, so dass man im Sommer am Abend draussen essen kann. Zudem kühlt es in der Nacht auf ungefähr 15 Grad ab, man kann also gut bei offenem Fenster schlafen. Im Gegensatz zu St. Moritz können wir in Gstaad unseren Gästen deshalb auch das Sommerfeeling vermitteln. Hinzu kommt die intakte Landschaft. Und wir haben eine funktionierende Landwirtschaft. Aus all diesen Gründen fahren die Leute gerne nach Gstaad. Und dann selbstverständlich unser Hotel. Das Gstaad Palace versteht die Bedürfnisse und Wünsche seiner speziellen Klientel. Gleichzeitig bieten wir aber auch einen Erlebnisfaktor an. Der Grund ist einfach: Im Gegensatz zu vielen anderen Mitbewerbern sind wir authentisch geblieben und deshalb nicht austauschbar.

Luxushotels schiessen seit ein paar Jahren wie Pilze aus dem Boden. Was befeuert diesen Boom?

Ein Mitglied unseres Verwaltungsrates erklärte dies einst sehr gut: Früher symbolisierte der Besitz einer Yacht den Reichtum. In den 80er und 90er Jahren kam der Privatjet dazu. Heute hat man zudem noch ein Hotel. Auf der einen Seite investieren reiche Leute gerne in Immobilien, und Hotels sind vielfach schöne Immobilien, andererseits ist es oft eine Prestigefrage. Von vielen wohlhabenden Leuten bekomme ich immer wieder zu hören, dass sie ein gutes Restaurant oder ein nobles Hotel besitzen möchten. Da muss ich oft schmunzeln, denn offenbar herrscht die Meinung vor, ein Hotel zu betreiben sei einfach. Und ein letzter Punkt: Hotels sind ein beliebtes Mittel zur Steueroptimierung. Über ein Hotel, das zwar Verlust macht, aber an Wert zulegt, lässt sich die Steuerlast gut senken.

Hinter der Konkurrenz stehen oft milliardenschwere Investoren, Sie aber führen einen Familienbetrieb. Welche Chancen haben Sie in diesem Kampf mit ungleich langen Spiessen?

Ja, es ist ein ungleiches Rennen. Es ist so, als ob ich an einem Marathon barfuss antreten muss, während die anderen Läufer Top-Turnschuhe tragen. Auf der anderen Seite können wir auf einem Image aufbauen, an dem hundert Jahre gearbeitet und gefeilt worden ist. Wir bieten eine Gastfreundschaft und ein Ambiente, die nicht so schnell kopierbar sind. Oft ist es in einem Hotel oder in den Ferien allgemein ein subjektives Empfinden, warum man sich genau an einem Ort wohl fühlt. Im Gstaad Palace fühlen sich die Leute vielleicht deshalb besonders wohl, weil sie spüren, dass unser Hotel wie eine alte Eiche über Jahrzehnte organisch gewachsen ist und wir das Gefühl vermitteln, jedem Sturm gewachsen zu sein. Gerade in einer sich immer schneller drehenden Welt suchen Leute Orte, die eine gewisse Ruhe, Sicherheit und Kontinuität ausstrahlen.

elipsLife echo: Herr Scherz

Konkurrenz belebt bekanntlich den Markt. Das Gstaad Palace hat seit kurzem mit dem The Alpina Gstaad die Konkurrenz direkt vor dem Haus. Verkraftet Gstaad zwei Luxushäuser?

Da muss ich Sie korrigieren, Gstaad hat mittlerweile vier 5-Sterne-Luxushäuser. Das Gstaad Palace war eine Zeitlang das einzige richtige 5-Stern-Haus am Platz. In der Zwischenzeit sind die einst etwas heruntergekommenen 5-Stern-Häuser Parkhotel und Bellevue völlig erneuert worden und das Alpina Gstaad ist neu dazugekommen. Ich muss allerdings sagen, dass die Nachfrage im 5-Stern-Segment in Gstaad sich in dieser Zeitspanne nicht vervierfacht hat, sondern ausser einer Steigerung in der Hochsaison in etwa gleich geblieben ist. Mit anderen Worten: In den letzten Jahren haben immer mehr Mitbewerber vom mehr oder weniger gleich grossen Kuchen ein Stück abgeschnitten. Das ist ebenfalls ein Grund, weshalb die Zeiten für uns nicht einfacher geworden sind.

Was ist denn heute die Herausforderung für die Hotellerie in der Schweiz?

So wie ich die Welt heute sehe, nur einen Tag nach der Hiobsbotschaft der Schweizerischen Nationalbank, den fixen Wechselkurs zum Euro aufzuheben, geht es ums reine Überleben. Für ein privates Hotelunternehmen ist das Umfeld momentan wirklich düster. Es geht in Richtung Überlebenskampf. Noch aber sind wir nicht soweit. Wenn sich die Umstände jedoch nicht bessern und sich nicht ein Silberstreifen am Horizont zeigt, dann wird es ein ganz harter Kampf. Wir sind bereits seit dem ersten Währungssturz 2011 am Rudern und müssen uns zehn Mal mehr anstrengen, um auf einen grünen Zweig zu kommen. Jetzt verschärft sich die Situation abermals: Die Eurokrise ist noch nicht ausgestanden, die Börsen sind massiv gesunken und der Rubel ist nichts mehr wert, wobei die Russen 10 % unserer Gäste ausmachen. Auch in unserem Preissegment achten die Leute mehr auf ihr Geld und leisten sich nicht mehr so häufig Ferien.

Das haben wir richtig verstanden, auch die Superreichen wollen sparen?

Bei den meisten meiner Gäste spielt es in der Tat keine Rolle, wenn sie 10 % oder 20 % ihres Vermögens zum Beispiel an der Börse verlieren würden. Dennoch, auch in den höchsten Schichten gilt der Slogan „Geiz ist geil“, gerade in schwierigen Zeiten. Als Folge davon kommen diese Gäste nicht mehr in unser Haus oder sie versuchen knallhart, die Preise zu drücken. Vor dem gleichen Hintergrund gilt auch: Wenn diese reichen Leute ein ähnlich gutes Hotel in Cortina, St. Anton oder Aspen finden, das im Vergleich zu uns aber währungsbedingt seit 2011 rund 50 % günstiger geworden ist, dann wird es für uns ganz schwer.

Wie hoch ist der Anteil Schweizer Gäste in Ihrem Hotel?

Die Schweizer Gäste machen im Gstaad Palace etwas über 20 % aus.

elipsLife echo - Herr Scherz Andrea

Und wie ist der Anteil des Sommergeschäfts im Verhältnis zum-Wintergeschäft?

Wir machen rund zwei Drittel des Umsatzes im Winter und etwa einen Drittel in der Sommersaison.

Gehören Sie zu den Profiteuren der Zweitwohnungsinitiative, wenn im Saanenland zukünftig weniger Luxus-Chalets gebaut werden können?

Ja, wir gehören sicher zu den Profiteuren. Ich habe jedes Jahr Top-Gäste an Chalets verloren. Sie müssen bedenken, dass wir mit einem ähnlich hohen Markting-Budget wie der hiesige Tourismus-Verein reiche Leute hierher ziehen. Diese verlieben sich dann in Gstaad und kaufen ein Chalet. Ich sollte eigentlich für jeden Hotelgast, der später ein Chalet in Gstaad baut oder kauft, eine Kommission bekommen. Ich würde in diesem Fall wohl den gleichen Jahresgewinn mit Kommissionen machen wie mit dem Hotel. Ich hatte Gäste, die in meinem Haus einige Male für drei Wochen halbe Stockwerke mieteten, um sich dann später hier ein Chalet zu kaufen. Das schmerzt.

Was sind aus Ihrer Sicht die Ingredienzen unternehmerischen Erfolgs?

Mit Bestimmtheit ist Herzblut das Wichtigste. Man muss das, was man macht, mit dem Herzen machen, mit Freude, innerer Überzeugung und Enthusiasmus. Nur was man gerne macht, macht man wirklich gut. In unserer Branche ist es sicher auch wichtig, sich auf die Bedürfnisse der Kunden auszurichten. Man muss das machen, was der Kunde will – nicht das, was man selbst möchte. Das mag banal klingen, aber ich versuche, mein Hotel so zu gestalten, wie es meine Kunden wünschen. Bevor ich beispielsweise unseren Spa-Bereich modernisierte, habe ich ein Jahr lang jeden Gast, der das Spa besuchte, nach seinen Bedürfnissen und Erwartungen befragt. Die Antworten bestimmten dann weitgehend den Umbau. Ein weiterer Erfolgsfaktor sind die Mitarbeitenden. Weil wir im People-Business sind, kommt den Mitarbeitenden eine sehr wichtige Rolle zu. Wir folgen einer einfachen Maxime: Glückliche Mitarbeitende machen glückliche Gäste. Entsprechend sind in unserem Budget auch immer wieder spezielle Ausgaben für die Mitarbeitenden vorgesehen.

Hotellerie und Gastronomie schaffen zwar viele Arbeitsplätze, zählen aber zu den Tieflohnbranchen. Welche Bedeutung hat da die Altersvorsorge?

Weil wir in einer Tieflohnbranche sind, ist die Altersvorsorge besonders wichtig. Doch oftmals ist diese schwierig zu gestalten. Tiefe Löhne ergeben eine tiefe Altersvorsorge, was problematisch sein kann. Einer gut gestalteten 2. Säule kommt aus diesem Grund grosse Bedeutung zu. Ich will hier kurz ausholen: Die Löhne im Gastgewerbe sind ja nicht aus Gier oder zum Spass so tief. Vielmehr kann unsere Branche nur dank solch tiefer Löhne überleben. Ein für viele meiner Kunden kaum vorstellbares Beispiel sind die Margen im Restaurationsgeschäft. In unserem Hotel beträgt die Netto-Gewinnmarge im Restaurationsbereich gerademal 3,5 %. Und wohlgemerkt, mit dieser Gewinnmarge gehören wir zu den Besseren unserer Branche. Dabei gilt es zu bedenken, dass der Restaurationsbetrieb extrem personalintensiv ist. Bis ein Steak auf dem Teller liegt, kommen viele Akteure zum Zug: vom Einkäufer und der Person, welche die Waren im Hotel annimmt, über die Köche, Teller- und Pfannenwäscher sowie Kellner bis hin zu den Musikern. Sie alle wollen bezahlt sein. Glücklicherweise können wir die tiefen Margen im Restaurationsbetrieb mit den Margen im Hotelleriebereich kompensieren.

elipsLife echo: Sommergeschäft im Verhältnis

Fallen Mitarbeitende wegen Krankheiten aus, wird es für Unternehmen teuer. Wie haben Sie die Erwerbsausfall- und Invaliditätsversicherung bei Ihnen geregelt?

Wir erfüllen in unserem Betrieb die gesetzlichen Vorgaben für alle. Unsere Unfallversicherung übernimmt ab dem dritten Tag nach dem Unfall 80 % der Lohnkosten. Für Kadermitglieder haben wir eine Zusatzversicherung, die 90 % der Lohnkosten übernimmt. Beim Krankentaggeld übernehmen wir für die ersten 60 Tage die Lohnkosten von 88 %, danach springt die Versicherung ein.

Die Pensionskassen stecken in stürmischen Zeiten, vor allem wegen der Überalterung und den tiefen Zinsen. Werden die PKs – und damit wir alle – Opfer von nicht finanzierbaren Leistungsversprechen?

Ich bin kein PK-Spezialist und in dieser Frage gehen ja auch die Meinungen der Fachleute weit auseinander. Fakt ist aber, dass die tiefen Zinsen oder auch die weiter steigende Lebenserwartung Komponenten sind, die das aktuelle System massiv beeinflussen und das Vertrauen in die gegenwärtige Lösung nicht fördern. Aus meiner Sicht werden wir nicht umhin kommen, den Gürtel etwas enger zu schnallen. Nur so kann die Rechnung auch in Zukunft noch aufgehen.

Im Rahmen der AVG 2020 wird der Kapitalbezug aus dem Altersguthaben für Wohneigentum oder für den Schritt in die Selbstständigkeit stark eingeschränkt. Entzieht der Staat mit diesem Eingriff dem Versicherten das Vertrauen oder sehen Sie darin eine notwendige Regulierung?

Wer nicht weit überlegt, wird sicher sagen, dies sei ein Eingriff in die persönliche Freiheit. Wenn man das ganze Konstrukt aber etwas näher anschaut, wird klar, dass es eine Notwendigkeit ist. Wir alle müssen begreifen, dass es so nicht weitergehen kann. Und zwar zum Schutz des gesamten Rentensystems. Ich finde diese neue Regelung persönlich zwar nicht toll, weil auch ich gehofft hatte, mir vielleicht eines Tages Wohneigentum leisten zu können, doch ich begreife die Richtigkeit dieser Massnahme.

Ist es fair, die Rentenbezüger an der Sanierung des Vorsorgesystems zu beteiligen – oder sind einmal erworbene Rentenansprüche tabu?

Wie bereits erwähnt, gehe ich davon aus, dass wir alle den Gürtel werden enger schnallen müssen. Allerdings kann ich nicht nachvollziehen, weshalb die Rentenbezüge gekürzt werden sollen. Ich würde eine generelle Kürzung der Renten jedenfalls nicht goutieren. Ich kenne Rentner, die mit ihren heutigen Bezügen sehr eng durch müssen und sich beispielsweise nicht jeden Tag ein Stück Fleisch leisten können. Bei diesen Menschen würde eine generelle Kürzung nicht drin liegen. Wenn überhaupt an Rentenkürzungen zu denken ist, dann müsste man ein System mit Progression einführen, ähnlich wie wir das heute bei den Steuern haben: Wer mehr verdient, zahlt auch mehr. Das wäre dann eine Art Klassensystem. Wir müssten allerdings festlegen, ab welchem Betrag eine Rentenkürzung den Empfänger substanziell nicht schmerzen würde.

Wenn Sie heute den Pensionskassen in der Schweiz einen Rat geben könnten: Wie würde dieser lauten?

Auf alle Fälle nicht in Euro investieren!

Zur Person
Andrea Scherz
General Manager und Mehrheitsaktionär des Luxushotels Gstaad Palace

Andrea Scherz, Jahrgang 1969, ist General Manager und Mehrheitsaktionär des Luxushotels Gstaad Palace im Saanenland. Da das Gstaad Palace bereits seit drei Generationen im Besitz der Familie Scherz ist, wurde Andrea Scherz das Hotellerie-Gen gleichsam in die Wiege gelegt. Bevor Scherz in den Familienbetrieb eintrat, arbeitete er in verschiedenen Hotels weltweit, so im Beau-Rivage in Lausanne, im The Savoy in London, im InterContinental in Genf sowie in Hotels in den USA und in Italien. Andrea Scherz, der sich in seiner Freizeit unter anderem für Sport, Oldtimer und Innendesign interessiert, hat die Hotelfachschule Lausanne absolviert und ist diplomierter Hotelier - Restaurateur SHV. Er hat heute Einsitz in verschiedenen Gremien, so auch im Verwaltungsrat der Swiss Deluxe Hotels und der „Leading Hotels of the World“.

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