echo-interview mit Ancillo Canepa
echo-Interview, Juli 2013

Versicherungsaspekte spielen im Fussball eine zentrale Rolle

ELIPSLIFE ECHO - EINE GESPRÄCHSSERIE MIT PERSÖNLICHKEITEN AUS DER WIRTSCHAFT

Versicherungsaspekte spielen eine zentrale Rolle

echo-interview mit Ancillo Canepa, Präsident des FC Zürich

elipsLife | echo: Wirtschaftsunternehmen messen ihren Erfolg in der Regel am Reingewinn. Bei einem Fussballclub dagegen misst er sich in Punkten und Titeln. Wie meistert der FC Zürich den Spagat zwischen sportlichem Erfolgsdruck und wirtschaftlichen Zwängen?

Ancillo Canepa: Diese Frage bringt unsere grosse Herausforderung auf den Punkt und zeigt den Unterschied zwischen einem Fussballclub und einem normalen Wirtschaftsunternehmen auf. In einem normalen Unternehmen können Sie in aller Regel mit einer guten Planung und einer vernünftigen Budgetierung zum Jahresende relativ zielgenau ankommen. Sie wissen, wenn nichts Dramatisches oder Aussergewöhnliches geschieht, werden die Ziele in etwa erreicht. Bei einem Profifussballclub dagegen gibt es immer eine grosse Unbekannte, nämlich den sportlichen Erfolg beziehungsweise den sportlichen Misserfolg. Dieser ist die grosse Einflussgrösse auf die wirtschaftliche Entwicklung des Vereins. Haben Sie sportlichen Erfolg, kommen mehr Zuschauer ins Stadion, Sie verkaufen mehr Merchandising-Produkte, die Spieler haben mehr Marktwert, man kann grössere Transfers realisieren, man bekommt Prämien, nimmt an den europäischen und somit lukrativen Wettbewerben teil und so weiter. Sportlicher Erfolg führt zu grösserer wirtschaftlicher Stabilität. Bleibt er aber aus, geht alles in die andere Richtung: weniger Zuschauer, weniger Einnahmen, weniger Sponsoren, weniger Transfers. Schnell tun sich dann finanzielle Löcher auf. Ich habe in den vergangenen sieben Jahren beides erlebt. In der Schweiz kommt erschwerend hinzu, dass wenig Fernsehgeld fliesst — ein Bruchteil dessen, was Fussballclubs im Ausland an Fernseheinnahmen generieren …

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… wie hoch ist denn der Anteil der TV-Gelder an den Gesamteinnahmen beim FCZ?

Ich sage, etwas böse formuliert, dass in einem zivilisierten Land die Einnahmen gedrittelt sind: Ein Drittel stammt von den Zuschauern, ein Drittel aus dem Marketing/Sponsoring und ein Drittel vom Fernsehen. In der Schweiz machen die TV-Einnahmen aber gerade mal 5 % aus. Das erschwert die Ausgangslage enorm und verschärft die finanzielle Lage der Clubs. Wir sind gezwungen, nach Kompensationsmöglichkeiten zu suchen. Hierfür bieten sich über die Teilnahme an den europäischen Wettbewerben Champions League und Europa League oder über Transfers nur zwei Alternativen an. Zudem ist Zürich als Standort ein hartes Pflaster. Einerseits ist die Konkurrenz im Eventbereich ausserordentlich hoch, andererseits schränkt uns das Stadion ein. Wir haben kein typisches Fussballstadion, weil das Letzigrund-Stadion ja als Leichtathletikstadion konzipiert wurde. Das drückt auf die Stimmung, vor allem aber bietet es im Vergleich zu anderen Fussballstadien nur einen Bruchteil an VIP-Plätzen. Während wir im Letzigrund über 312 VIP-Plätze verfügen, haben andere Stadien in der Schweiz 2000 bis 4000 lukrative VIP-Plätze. Der FC Luzern beispielsweise generiert damit rund 4 bis 5 Millionen Franken an Einnahmen. Diese Einnahmequelle fehlt dem FCZ.

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Im Vergleich etwa zum FC Basel verkauft der FC Zürich aber auch viel weniger Saisonkarten. Woran liegt das?

Das Publikum in Zürich ist sehr anspruchsvoll. Und nebst dem FCZ haben wir mit GC auch einen zweiten Fussballclub in der obersten Liga. Aber es stimmt, wenn ich nach Basel oder nach Bern schaue, kommt Wehmut auf. In der Champions League gegen Real Madrid hatten wir über 200 000 Ticketanfragen oder gegen den FC Bayern München über 100 000. Aber wenn es gegen den FC Thun geht, und das ist nicht gegen den FC Thun gerichtet, wollen nur ein paar Tausend Leute das Spiel sehen. Dagegen hat der FC Basel auch bei einem Heimspiel gegen den FC Thun 28 000 Leute im Stadion. Wir verkaufen zwischen 6000 und 7000 Saisonkarten, in Basel sind es 25 000. Das ist der grosse Unterschied.

Vor dem Hintergrund Ihrer beruflichen Vergangenheit als GL-Mitglied von Ernst & Young: Welches sind aus Ihrer Sicht die Ingredienzen unternehmerischen Erfolgs?

An oberster Stelle stehen die Qualität des Personals und die Qualität des Managements, vor allem des Managements der zweiten und dritten Führungsebene. Während meiner Zeit bei Ernst & Young, aber auch durch die Mitarbeit an unzähligen Projekten, habe ich feststellen können: Es läuft immer über die Menschen. Gerade im KMU-Bereich ist die Qualität der Führungsleute entscheidend. Dort habe ich sehr viele und überdurchschnittlich gute Führungsleute kennengelernt. Die Identifikation mit dem Unternehmen, mit den Mitarbeitenden und den Produkten ist im KMU-Bereich beeindruckend. Wenn sich Manager nur noch als angestellte Manager fühlen und nicht mit einem grossen Unternehmerherzen bei der Sache sind, ist das suboptimal.

Unternehmen verwenden viel Zeit mit der Erfassung der Kundenbedürfnisse. Gilt das auch für einen Fussballclub?

Ja, das gilt vor allem für einen Fussballclub. Mit allem, was wir machen oder eben nicht machen, stehen wir tagtäglich im öffentlichen Schaufenster. Zudem spielen wir jedes Wochenende und müssen so den Beweis unserer Leistungsfähigkeit erbringen. Börsenkotierte Unternehmen legen quartalsweise ihre Zahlen und Ergebnisse vor, dazwischen haben sie mehr oder weniger Ruhe. Ein Profifussballclub dagegen hat nie Ruhe, er steht permanent im Fokus. Klar suchen und brauchen wir die Öffentlichkeit für unsere Arbeit und unseren Erfolg, aber diese Situation vereinfacht das Daily Business nicht. Es gibt ja auch Projekte, die in Ruhe gedeihen müssten und nicht dem Scheinwerferlicht ausgesetzt sein sollten. Die Kundenbedürfnisse ziehen sich wie ein roter Faden durch alles, was wir machen. Sei dies der Kampf um Stehplätze im Letzigrund, Transfers, die beim Publikum schlecht ankommen könnten, oder die Festlegung der Ticketpreise.

Welche Verbindungen oder Gemeinsamkeiten zwischen «Fussballclub», «Wirtschaftsprüfungsunternehmen» und «Versicherung» kommen Ihnen in den Sinn?

Ein Fussballclub lässt sich nur schwer mit einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen oder einer Versicherung vergleichen. Die Unterschiede in Sachen Planbarkeit, Öffentlichkeitsrelevanz, Rahmenbedingungen und Positionierung sind einfach zu gross. Wirtschaftsprüfung und Versicherung haben hingegen eine Schnittmenge: Beide erbringen eine Dienstleistung. Der grosse Unterschied liegt dabei in der Tatsache, dass ein Wirtschaftsprüfer primär nur seine Arbeitsstunden verrechnen kann, während der Versicherer zusätzlich zu den Dienstleistungen auch an den Kapitalmärkten Geld verdienen kann.

Wenn ein Fussballclub einen Spitzenspieler engagiert, stehen Assekuranzfragen normalerweise nicht im Vordergrund. Zumindest in den Medien nicht. Welche Versicherungsaspekte sind hinter den Kulissen dennoch wichtig?

Versicherungsfragen sind sehr wichtig, nicht bloss bei Transfers, sondern ganz allgemein. Der FCZ bezahlt Versicherungsprämien im siebenstelligen Bereich, wobei die Unfallversicherung im Vordergrund steht. Das Verletzungsrisiko eines Spielers ist relativ hoch, und eine Operation sowie die anschliessende Reha-Phase können sehr teuer sein. Dafür hat der FCZ Versicherungen abgeschlossen. Dazu kommen die Zusatzversicherungen, die von den einzelnen Spielern abgeschlossen werden. Wir motivieren die Spieler immer, sich mit allen Fragen und Aspekten der Versicherung auseinanderzusetzen. Hierzu arbeiten wir auch mit professionellen Versicherungsexperten zusammen. Selbst in Fragen der Altersvorsorge sind wir aktiv und versuchen die Spieler zu motivieren, sich dazu früh Gedanken zu machen. Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, dass viele unserer Spieler sehr jung sind — und für einen 20-Jährigen spielt die Altersvorsorge nicht wirklich eine wichtige Rolle. Das ist ja auch in anderen Berufsgattungen so.

Das Verletzungsrisiko steht also im Vordergrund. Gibt es andere Versicherungsaspekte, die eine Rolle spielen?

Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen ist der Ausfall durch Verletzungen auch im Hinblick auf mögliche Transfers ein Risiko. Wie ich bereits erwähnt habe, sind Transfers eine wichtige Einnahmequelle. Läuft es gut und ein Spieler hat Erfolg, wirkt sich das auf die erzielbare Transfersumme aus. Fällt ein Spieler hingegen lange verletzt aus, sind zwar die Lohnzahlungen versichert, aber der Transferwert kann im schlimmsten Fall bis auf null sinken. Selbstverständlich könnten auch die Transferwerte versichert werden. Lloyds in London zum Beispiel bietet dies an. Aber die Prämien sind horrend hoch.

Wie funktioniert die berufliche Altersvorsorge bei einem Profifussballer?

Wie bei allen anderen Angestellten auch: Vom Lohn wird ein Abzug gemacht.

Bei ausländischen Spielern auch?

Ja, auch wenn die meisten nur ein paar Jahre in der Schweiz sind und nicht sonderlich an den hier geltenden Regeln der Altersvorsorge interessiert sind.

In welcher PK sind die «anderen» Mitarbeitenden des FC Zürich versichert?

Alle Angestellten des Clubs, inklusive der aktiven Fussballspieler, sind bei der gleichen Pensionskasse versichert.

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Spielt die Pensionskasse bei strategischen Unternehmensentscheiden des FC Zürich eine Rolle?

Um ehrlich zu sein, nein. Diese Aspekte laufen mit dem Tagesgeschäft eher mit. Fragen in Zusammenhang mit der Unfallversicherung für unsere Spieler beschäftigen uns bedeutend mehr.

Die Altersvorsorge ist eine politische Dauerbaustelle. Welche Entwicklung erwarten Sie für die kommenden 3 bis 5 Jahre im BVG-Bereich?

Ich bin kein Versicherungsexperte und kann Ihnen hier wirklich keine Prognose abgeben. Persönlich habe ich während meiner früheren Tätigkeit stets vollumfänglich die uns eingeräumte Möglichkeit der Einmaleinlagen genutzt. Das war einerseits steuerlich interessant, andererseits war das Geld sinnvoll investiert. Auch wenn es ein wenig zynisch klingen mag, ich bin der Meinung, dass es besser ist, sich im Alter nicht allein auf die AHV verlassen zu müssen, sondern in Eigenverantwortung auch selbst vorzusorgen. Ich sage auch immer wieder zu unseren Spielern, dass sie sich früh mit Rentenfragen befassen und vielleicht besser mal auf die eine oder andere Anschaffung verzichten sollen.

Wenn Sie heute den Pensionskassen in der Schweiz einen Rat geben könnten, wie würde dieser lauten?

Wie erwähnt, ich bin kein PK-Experte. Was mir während meiner früheren Tätigkeit in der Wirtschaftsprüfung aufgefallen war, ist die grosse Anzahl von kleinen Pensionskassen. Meines Erachtens wäre eine Bündelung der Kräfte, der Strukturen, der Professionalität sowie der Anlagekompetenz ein wünschbarer Weg. Es gibt zu viele kleine Pensionskassen, und nicht selten haben diese Probleme mit dem Management der Gelder. Ich würde die Anzahl der Kassen runterfahren und mehr in die Fachkompetenz investieren. Zudem würde ich die Aufsicht intensivieren. Wir hatten in der jüngeren Vergangenheit einige doch sehr sonderbare Skandale, bei denen ich mich gefragt habe, wie es überhaupt dazu kommen konnte. Denn es gilt dabei immer zu bedenken, dass es hierbei um das von den Mitarbeitenden hart erarbeitete Geld geht und nicht um irgendwelche Mittel, die vom Finanzmarkt generiert worden sind.

Zur Person
Ancillo Canepa
Präsident des FC Zürich

Ancillo Canepa, 1953, aufgewachsen in Rüti ZH, ist diplomierter Betriebsökonom und diplomierter Wirtschaftsprüfer. Von 1976 bis 2006 war er für Ernst & Young tätig, wo er von 1992 bis 1998 die Abteilung Mergers & Acquisitions und von 1998 bis 2006 als Mitglied der Geschäftsleitung die Abteilung Wirtschaftsprüfung leitete. Seit Ende 2005 ist Ancillo Canepa Mitglied des Verwaltungsrats und seit 2006 vollamtlicher Präsident des FC Zürich.