Fachartikel von Tamara Ruhberg, Dezember 2022

Mentale Gesundheit: Die Jugend im Fokus

Die Corona-Pandemie hat gezeigt: Mentale Gesundheit ist für Lebensqualität, Selbstständigkeit und Arbeitsfähigkeit fundamental. Gemäss der Swiss Corona Stress Study (De Quervain, Aerni, Amini, Bentz, Coynel & Gerhards, 2021) vom November 2021 leiden rund 19 % aller Schweizerinnen und Schweizer «aktuell an mittelschweren bis schweren depressiven Symptomen». Fast jede und jeder Fünfte kämpft also mit Konzentrationsschwierigkeiten, Gefühlen der eigenen Wertlosigkeit und fragilem Selbstwertempfinden sowie mit Problemen beim Ein- oder Durchschlafen. Dabei zeichnen die Studien-Ergebnisse eine steile Kurve nach oben: Am stärksten betroffen sind die Jungen. Der Befund «schwere depressive Symptome» ist in der Gruppe der 14- bis 24-Jährigen mit einem Anteil von 33 Prozent am häufigsten. 

Die Ursachenforschung macht deutlich, dass der unterschwellige Leistungsdruck für die befragten Schüler und Studenten der höchste Belastungsfaktor ist. Ein wichtiges Indiz für den allgemeinen Umgang mit Stress: Wir neigen dazu, externe Anforderungen unbewusst mit unserer inneren Erwartungshaltung selbst aufzuladen. Essenzieller Schwerpunkt des heutigen Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) ist daher die Schaffung und Aufrechterhaltung individueller und zwischenmenschlicher Stressbewältigungs-Ressourcen.

Eine junge Generation mit zu wenig Raum
Die Generation Z, also alle im Alter zwischen 10 und 25 Jahren, macht heute rund 40 % der Weltbevölkerung aus. Es ist die erste Generation, die komplett in Zeiten rasanter technologischer Innovation und immersiver globaler Vernetztheit aufwächst. Prägend ist demnach auch eine von Anfang an hohe Durchmischung persönlicher und globaler Themen.

Das aktuelle Weltgeschehen mit den Themen Klimawandel, Pandemie, Krieg und Social-Credit-System löst bei Generation Z den starken Wunsch aus, «ganz oben» mitzumischen, etwas zu bewirken und sich aktiv für eine positive Zukunft einzusetzen (Deloitte, 2022). Unklare Narrative in den Medien in Kombination mit unterschwelligen Sorgen bis hin zu Eindrücken der Haltlosigkeit im Familien- und Freundeskreis erwecken verbreitet das Gefühl, auf sich allein gestellt zu sein und ständig unter Zugzwang zu stehen. Die Generation Z hat angesichts der vielen Unsicherheiten und der überwältigenden Vielfalt an Möglichkeiten grosse Schwierigkeiten, sich zu orientieren, Entscheidungen zu treffen oder allgemein einen roten Faden zu finden. Es besteht ein zum Teil recht polares Wertespektrum, mit dem zu navigieren alles andere als leicht ist. 

Für die Einzelnen führen die Folgen zu chronischer Konfliktvermeidung, mangelnder Sinnhaftigkeit, Lethargie bis hin zu Depressionen. Auch der Hang zu Extrem-Positionen und zwanghaftem Aktivismus für «das Gute und das Richtige» sind häufig zu beobachten. Um die mentale Gesundheit der jungen Generation nachhaltig zu fördern, stehen Hilfestellungen bei Orientierung und Entscheidungsfindung sowie die Sensibilisierung für die tatsächlichen persönlichen Bedürfnisse und Wünsche im Zeichen einer gesunden intrinsischen Motivation im Fokus. Die Schulung selbstreflektorischer Fähigkeiten sowie die Sensibilisierung für Burnout relevante Themen gewinnen für die «Führungsaufgabe Gesundheit» an Bedeutung. 

Neue Werte: Wellbeing und Work-Life-Balance
Auch wenn - oder gerade weil - Generation Z oftmals Schwierigkeiten hat, richtig abzuschalten oder sich ganz auf etwas einzulassen, besteht ein ausgeprägtes Bewusstsein für die fundamentale Bedeutung der Gesundheit in Bezug auf eine hohe Lebensqualität. Junge Menschen wünschen sich einen ausgewogenen Lebensstil und eine gesunde Work-Life-Balance (Deloitte, 2022). Ihnen ist die zentrale Bedeutung mentaler Gesundheit klarer, als noch vorherigen Generationen und sie wünschen sich, offen über Ängste und Sorgen sprechen zu können. Sie wollen mit diesen Themen nicht alleine sein und sie wollen sich auch nicht verstecken. Das Mitteilen der eigenen Sorgen und Ängste baut Druck ab und kann von einer Selbstzurückhaltung entlasten. In der Praxis halten viele an hohen Idealbildern und Anforderungen an sich selbst jedoch häufig unbewusst fest und die tatsächlichen Ursachen des Stresses bleiben unerkannt. Mit wirksamen und erlebnisorientierten BGM-Angeboten zur mentalen Gesundheit lassen sich Selbstwirksamkeit, Selbstfürsorge und Entspannungsfähigkeit fördern, gleichzeitig gewinnen Engagement und Mitarbeiterfokus des Arbeitgebers hinsichtlich Employer Branding an Präsenz.

Onboarding Generation Z
Eine der relevantesten Arten auszubrennen, ist das Immer-weniger-Zuhören. Ein gesundes Gleichgewicht zwischen der Innenwelt und den äusseren Anforderungen scheint heutzutage utopisch. Bemerkenswert ist, dass sich Menschen in therapeutischen, helfenden und nachhaltig orientierten Berufen besonders häufig verausgaben. Der starke Fokus auf Outcome, Potenzialverwirklichung und Veränderung kann dazu führen, dass wir die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit seltener bemerken und weniger anerkennen. Wir stellen uns im Kopf Checks aus, die der Körper nicht einlösen kann. Jagen wir dauernd unrealistischen Zielen nach, setzen wir uns zunehmend unter Druck und werden Beifahrer unseres eigenen Gedankenkarussells. Daher spielt die bewusste Selbst-Umgangsfähigkeit der Führungskräfte und Mitarbeitenden zukünftig eine noch zentralere Rolle für die Erhaltung und Förderung mentaler Gesundheit im BGM. 

Druck-Bewusstsein
Führungskräfte müssen im Umgang mit jungen Menschen anerkennen, dass diese häufig tatsächlich unter grossem Druck stehen. Dieser ist von aussen vielleicht nicht gut sicht- oder nachvollziehbar und die Hintergründe müssen auch nicht persönliche sein. Unter einer oberflächlichen Souveränität - der Ausstrahlung von «been there, done that» («kenne ich schon») - liegen oftmals starke Gefühle der Nicht-Zugehörigkeit und Unverstandenheit. Viele junge Menschen wissen nicht so richtig, wohin mit sich selbst und fühlen sich fehl am Platz, vielleicht ohne es jedoch in Worte fassen zu können. Um Offenheit zuzulassen, wünscht Generation Z sich einen offenen, respektvollen Umgang auf Augenhöhe, auch wenn die Erfahrungshorizonte deutlich divergieren. Sie definieren sich eher über ein Idealbild von Menschlichkeit, als über bisherige Leistungen. 

Autoritäts-Verständnis
Das ausgeprägte Sicherheitsbedürfnis und der Gleichstellungswunsch beschert der Generation Z eine höhere innere Hemmschwelle, sich auf bestehende Prozesse und Vorgesetzte einzulassen. Die Gen Z sind es gewohnt, Bestehendes zu hinterfragen und mitsprechen zu können. Für sie ist es daher wichtig, die erlebte Autorität auf ihrer Seite zu wissen und ihr vertrauen zu können. Dafür braucht es Transparenz und ein hohes Mass an Kohärenz und Kompetenz. Authentische Wertschätzung und echte Anerkennung öffnen den Weg zu einem genügend hohen Zugehörigkeitsempfinden, um es den Gen Z zu ermöglichen, sich wirklich zu öffnen und einbringen zu wollen.

Konflikt-Normalisierung
Wegen teils überzogenen Vorstellungen hinsichtlich des idealen Menschenbildes sowie oftmals resoluter Ideen über optimale Arbeitsbedingungen hat sich das Konfliktverhalten bei der jüngeren Generation verschoben. Zudem ist die Bindungsbereitschaft - auch aufgrund des Wandels vom Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt - deutlich tiefer, eine Kündigung schneller ausgesprochen als früher. Das Phänomen des «Ghostings» überträgt sich so auf den Arbeitsplatz. Eine systematische Fehler- und Feedbackkultur ist für Generation Z hilfreich. Auf diese Weise lässt sich ein offener Umgang mit Schwierigkeiten und Rückschlägen etablieren und die natürliche Resilienz stärken.

Verantwortungsvolle Empathie
Gerade in der Einstiegsphase sind feste Bezugspersonen hilfreich, um sich willkommen, eingebunden und gesehen zu fühlen. Dabei spielt es weniger eine Rolle, ob ein Buddy-System genutzt wird, es Aktivitäten und Lunch-Treffen mit Peers oder regelmässige 1:1 mit der Führungskraft gibt. Entscheidend sind auch hier echtes Interesse und authentische Verbindung. Die Kehrseite kann sein, dass sich Teammitglieder mit besonders starken Empathie-Antennen überinvestieren und sich sämtlicher Probleme persönlich annehmen. Um ein gesundes Eigenverantwortungsverhältnis auf allen Seiten zu fördern, bedarf es vor allem im Teamgefüge mit jüngeren Kollegen einer klaren Wahrnehmung und Kommunikation persönlicher Bedürfnisse und Grenzen.

Zukunftsorientiertes BGM: Mentale Gesundheit in Unternehmensumwelten
Die Attraktivität von Arbeitgebern baut in Zukunft weniger auf hohen Lohnsummen und eindrücklichen Leistungsteams auf, als vielmehr auf einem nachhaltigen Unternehmenszweck, integrativer Teamkultur und proaktiver Gesundheitsförderung. Generation Z zeichnet sich durch ein disruptives Werteverständnis gegenüber etablierten Arbeitsmodellen aus. Keine leichte Aufgabe für Arbeitgeber, doch wer das aktuelle Geschehen rund um das Thema mentale Gesundheit rechtzeitig ernst nimmt, leistet nicht nur einen Beitrag zur Sicherung zukünftiger Arbeitsfähigkeit, sondern trägt direkt dazu bei, eine Brücke zwischen Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu bilden. Besonders die Generation Z weiss das zu schätzen. BGM ist dabei der Katalysator, um den menschlichen und den ökonomischen Faktor zukünftig weiter zusammenzubringen.

 

Unser Angebot

elipsLife unterstützt Arbeitgeber mit spezifischen Sensibilisierungs-Programmen für Führungskräfte. Mögliche Schwerpunkte sind: Die Zusammenhänge von Stress, Arbeit und Gesundheit, Verlauf und Hintergründe der Burnout-Spirale, Früherkennungs- und Präventionsmöglichkeiten, das Konzept der psychologischen Sicherheit am Arbeitsplatz sowie Kultivierbarkeit persönlicher und interperso-naler Stressbewältigungsressourcen.


Quellen
Deloitte, (2022). The mental health of Gen Zs and millennials in the new world of work: Mai 2022.
Deloitte, (2022). The Deloitte Global 2022 Gen Z and Millennial Survey: 2022. 
De Quervain, D., Aerni, A., Amini, E., Bentz, D., Coynel, D., Gerhards, C., … Zuber, P. (2021). The Swiss Corona Stress Study: November 2021. 

Zur Person
Tamara Ruhberg
Corporate Health Manager

Fachartikel von Tamara Ruhberg

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