Fachartikel von Kirsten Rehage, Mai 2020

Führung als Erfolgsfaktor – Was wir von Jürgen Klopp lernen können

Die Gesundheit der Mitarbeitenden ist Privatsache – dieser Meinung sind viele Führungskräfte. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit: Die Auswirkungen der Arbeitsatmosphäre auf die Gesundheit von Mitarbeitenden sind vielfältig. Geht es um Wohlbefinden, Gesundheit und Leistungsfähigkeit, spielt die als gut oder schlecht erlebte Führung eine entscheidende Rolle. Eine als positiv erlebte Führung verringert krankheitsbedingte Fehlzeiten, bindet Mitarbeitende stärker an Unternehmen und hat Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Einzelnen.

Von Jürgen Klopps Führungsstil lernen
Auch in der Welt des Fußballs ist gute Führung eine zentrale Voraussetzung für den Erfolg. Unmittelbar nach dem als historisch einzuordnenden Sieg des Liverpool FC gegen Messis FC Barcelona im Rückspiel des Halbfinales der UEFA Champions League im Mai 2019 wurde allen Spielern der „Reds“ dieselbe Frage gestellt: „Wie war das möglich?“ Die Antwort war einhellig: „Der Trainer hat immer an uns geglaubt.“ Eigentlich galt es bis zu diesem Zeitpunkt als nahezu unmöglich, einen 3:0 Rückstand gegen ein so außergewöhnliches Team wie Barcelona aufzuholen. Aber Klopp hatte seinen Spielern glaubwürdig mitgegeben: „Wenn eine Mannschaft das schaffen kann, dann ihr.“

Rolle der Führungskraft
Die Rolle der Führungskraft hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Dabei hat der Begriff „Leadership“ an Bedeutung gewonnen, auch in Zeiten von „New Work“, in denen Mitarbeitende - vor allem die sogenannten Millennials - Selbstverantwortung und Autonomie verlangen. Vieles spricht dafür, auch erfolgskritische Entscheidungsprozesse kompetenten Teams zu überlassen. Was jedoch bedeutet das für Führungskräfte, die es doch immer gewohnt waren, wichtige Entscheidungen selbst zu treffen? Ist Führung mit der Implementierung neuer Organisationskulturen hinfällig geworden? In der Praxis zeigt sich: Das Gegenteil ist der Fall. Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und des Fachkräftemangels in Deutschland ist Führung unverändert ein wesentlicher Faktor, um Mitarbeitende im Unternehmen zu halten sowie deren Gesundheit und damit ihre Leistungsfähigkeit zu unterstützen.

Leadership versus Management
John P. Kotter, Professor für Führungsmanagement an der Harvard Business School, versteht unter Leadership die Inspiration der Mitarbeitenden durch Visionen, sodass diese motiviert ihrer Arbeit nachgehen. So geführte Menschen sind kreativer und innovativer, da sie ihre Arbeit als sinnvoll erleben. Beim Leadership handelt es sich um eine direkte Interaktion zwischen Führungskraft und Mitarbeitende. Daher sollte jede Führungskraft Leadership als Teil ihrer Führungsaufgabe ansehen. Im Gegensatz zum Leadership stehen beim Management organisatorische Aufgaben wie Planung, Organisation und Controlling im Vordergrund. Der sprichwörtliche Unterschied zwischen einem Manager und einem Leader besteht vor allem darin, dass Dinge, Aufgaben oder Termine „gemanaged“ werden, während man Menschen führt. Und die härteste Währung des Leaders ist Glaubwürdigkeit.

Folgen schlechter Führung
Die Konsequenzen schlechter Führung sind gravierend. Dies zeigen auch die jährlichen Zahlen des Gallup Engagement-Index 2018. Der durch schlechte Führung verursachte Schaden wird dabei auf 103 Mrd. Euro geschätzt. Zurückzuführen ist dieser Betrag u. a. auf krankheitsbedingte Fehlzeiten. Ein nicht geringer Teil davon wird durch psychische Belastungen am Arbeitsplatz verursacht. Die Betroffenen erleben mangelnde Wertschätzung, oftmals wenig oder gar kein Feedback und können zumeist keinen Sinn in den ihnen zugewiesenen Tätigkeiten erkennen. Es scheint ihnen, als sei es egal, wie gut oder schlecht sie ihren Job erledigen. Hierbei ist wichtig zu verstehen, dass die wenigsten Menschen permanent auf Lob aus sind. Es geht vielmehr um Lob für gute Arbeit - nicht für jede. Wir können sehr gut selbst unterscheiden, wann wir etwas besonders gut oder eben nur durchschnittlich erledigt haben. Entscheidend ist positives Feedback an der richtigen Stelle und zum richtigen Zeitpunkt. Führungskräfte, die glauben, dass man immer und ständig loben sollte, sind genauso wenig glaubwürdig, wie jene, die nie loben.

Das Jürgen-Klopp-Phänomen
Am Phänomen Liverpool FC lässt sich leicht erkennen, wie wichtig gute Führung für den Erfolg einer Organisation, eines Teams, eines Wirtschaftsunternehmens ist. Klopp, seit Oktober 2015 Trainer der „Reds“ und Welttrainer des Jahres 2019, sagt: „Mein roter Faden ist: Wie, glaube ich, sollte man mit mir umgehen, damit ich mit Freude arbeite und total leistungsbereit bin?“. Der Erfolg gibt ihm Recht. Als Klopp Liverpool übernahm, hatte die Mannschaft die Identität vergangener Jahre verloren und stand auf einem Mittelfeldplatz in der Tabelle der Premier League. Durch Geduld und harte Arbeit, die Weiterentwicklung der individuellen und strukturellen Fähigkeiten und der Anwendung einer anderen Spielidee fand die Mannschaft ihr Selbstvertrauen wieder. Heute ist Liverpool ein gefeierter Vize-Meister in der Premier League und Champions League Sieger. Dabei hat Klopp nicht bedingungslos an seinen bewährten Methoden festgehalten, sondern diese angepasst z. B. auf die Spielfrequenz und die körperlichen Gegebenheiten der Premier League. 

Übertragung auf die Arbeitswelt
Was also können Führungskräfte von Klopp lernen? Zum einen, dass die Methoden, die angewendet werden, zum Team, zum Mitarbeitendem und zum Unternehmen passen müssen. Außerdem gibt es weitere Aspekte:

  1. Vertrauen
    Das Schenken von Vertrauen, was mit Freiheit und Selbstbestimmung verbunden ist, bildet die Basis. Dabei signalisiert eine Führungskraft auch, dass sie an jeden Mitarbeitenden glaubt, was das Selbstvertrauen steigert.

  2. Kommunikation
    Kommunikation ist essenziell für eine gute Zusammenarbeit. „Wenn wir mit Spielern sprechen, erkläre ich ehrlich, was wir mit ihnen vorhaben“, sagt Klopp (Quelle: Der Hausarzt.digital: Was können Hausärzte von Jürgen Klopp lernen“). Das gilt auch für Mitarbeitende. Wichtig für sie ist es zu wissen, was ihre Führungskraft erwartet und wie ihre persönlichen Ziele aussehen. Das schafft Sicherheit für die einzelnen Mitarbeitenden. Gleiches gilt in Bezug auf das Wissen über die Konsequenzen, wenn Ziele nicht erreicht werden.

  3. Respekt
    Will eine Führungskraft erfolgreich sein, so muss sie ihren Mitarbeitenden und Kollegen mit Respekt begegnen und diesen umgekehrt auch von ihnen einfordern. Nur durch gegenseitigen Respekt können die Unternehmensziele erreicht werden. 

  4. Teamfähigkeit
    Ziele lassen sich nur erreichen, wenn alle gemeinsam arbeiten. Das setzt Teamfähigkeit und Uneigennützigkeit voraus. Jeder Mitarbeitende hat seinen Beitrag zu leisten. Dieses Verhalten muss von der Führungskraft vorgelebt, gefördert und eingefordert werden.

Fazit:
Leadership ist eine der wichtigsten Aufgaben einer Führungskraft, denn positiv erlebte Führung zahlt sich aus. Dies zeigt sich bei den krankheitsbedingten Fehlzeiten und bei der Bindung der Mitarbeitenden an das Unternehmen. Deshalb ist die Gesundheit der Mitarbeitenden nicht deren reine Privatsache, sondern sollte auch Aufgabe des Arbeitgebers sein. Das elipsLife Care Management unterstützt Arbeitgeber mit präventiven und integrativen Maßnahmen und leistet so Hilfe bei der Reduzierung krankheitsbedingter Fehlzeiten und der Gesundheitserhaltung der Mitarbeitenden.

 

Aus der Praxis
Expertenmeinung von Oliver Bröhl (Coach, Mediator, Speaker)

Wann immer ich mit Führungskräften, die auf der Suche nach persönlichem Wachstum sind, zusammenkomme, berichten Sie mir von den vielfältigen Herausforderungen, die der berufliche Alltag für sie bereithält: Von immer kürzeren Entscheidungszyklen, stetig steigendem Innovations- und Transformationsdruck, einem durch die Globalisierung befeuerten Kosten- und Effizienzdiktat und einer Vielzahl weiterer Themen, mit denen sie sich Tag für Tag (und nicht selten Nacht für Nacht) herumschlagen müssen. Die meisten von Ihnen wünschen sich aufrichtig, mehr Zeit für die Entwicklung und die Bedürfnisse der Mitarbeitenden zu haben….., „aber ich komme einfach nicht dazu.“  Als Leadership Coach, der selbst zwei Jahrzehnte lang als Führungskraft tätig sein durfte, frage ich als Erstes zumeist, warum sie überhaupt führen wollen. Diese Frage können die meisten nach kurzem Nachdenken beantworten. Die nächste Antwort fällt schon schwerer: Und warum sollte Ihnen irgendjemand folgen? Oft erfüllt dann eine „heilige“ Stille den Raum, später gesellen sich Sätze wie „das ist eine schwierige Frage“ oder „das hat mich noch nie jemand gefragt“ dazu. Und es ist wahr: Ich halte diese Frage für die zentrale Frage der Führung.

Ich stelle sie aus zwei Gründen: Einerseits, weil ich der festen Überzeugung bin, dass man nur führen kann, wenn man weiß, wie man Menschen für die gute Sache einnimmt. Und andererseits, weil in der Antwort auf diese Frage der zentrale Hebel für erfolgreiches Leadership verborgen liegt. Nur wer Klarheit über die eigenen Motive, Prinzipien, Konzepte und Motivatoren hat, wird in der Lage sein, anderen Menschen Orientierung, Perspektive und Sinnhaftigkeit zu vermitteln. Führung ist die Kunst, Menschen aus voller Überzeugung ins Handeln zu bringen. Es ist dabei von überragender Bedeutung, die Erwartungen, die man an sich selbst und an andere hat, zu kennen und einordnen zu können. Genauso wichtig erscheint mir, Klarheit über die (expliziten und impliziten) Erwartungen der Anderen an Führung zu haben. Fragen Sie Ihre Mitarbeitenden lieber einmal öfter, was Sie verbessern und ändern können. Denn - so abgedroschen der Satz klingen mag: Feedback ist ein Geschenk. Und zwar, weil er uns mehr über das verrät, worauf die Mitarbeitenden insbesondere achten. Denn jeder gibt nur über das Feedback, was ihm oder ihr selbst wichtig ist. Die besten Führungskräfte hören zu und gehen auf Empfang, anstatt ständig zu senden. Schließlich möchte jeder Mensch wahrgenommen werden und Gehör finden. Und wer die Erwartungen seiner Stakeholder kennt, kann sie systematisch, strukturiert und - hoffentlich - glaubwürdig erfüllen. Viel Erfolg beim Zuhören!

 
Oliver Bröhl
Oliver Bröhl ist geistiger Vater und Gründer von effekttief, der Beratung für wirksames Handeln (http://effekttief.com). Nach einer Karriere als Führungskraft in drei verschiedenen Branchen arbeitet er seit 2007 als Executive, Leadership und Team Coach, Mediator, Moderator und Speaker. „Mein Job ist, Menschen zu inspirieren, neue Entscheidungen zu treffen.“ So unterschiedlich seine Kunden aus zahlreichen Branchen und Ländern sind, so vielfältig sind auch die Aufgabenstellungen, bei denen er sie unterstützen darf. Er setzt dabei auf einstellungsbezogene Erkenntnisprozesse in Verbindung mit pragmatischen, alltagstauglichen Werkzeugen und Methoden.

Zur Person
Kirsten Rehage
Head Care & Claims Management elipsLife Germany & Austria

Fachartikel «Führung als Erfolgsfaktor.»

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