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echo-Interview, Januar 2018

Die Reform der Pensionskassen nicht auf die lange Bank schieben

ELIPSLIFE ECHO - EINE GESPRÄCHSSERIE MIT PERSÖNLICHKEITEN AUS DER WIRTSCHAFT

echo-Interview mit Gerhard Pfister

echo-interview mit Gerhard Pfister, Nationalrat und Präsident der CVP Schweiz

elipsLife echo: Herr Pfister, die Altersvorsorge ist zuoberst auf dem Sorgenbarometer der Bevölkerung, doch seit 20 Jahren kommt keine Reform mehr zustande. Droht die Politik bei der Altersvorsorge zu versagen?

Gerhard Pfister: Die Politik versagt nicht. Ich stelle aber fest, wie sehr in der Bevölkerung die Sensibilisierung für die Altersvorsorge zugenommen hat. Im Abstimmungskampf zur Reform AV 2020 kam klar zum Ausdruck, dass sich die Menschen mit der Altersvorsorge und ihren Fragestellungen intensiv auseinandersetzen. Die Politik ist bemüht, die anstehenden Probleme zu lösen. Letztlich entscheidet in der Schweiz dank der direkten Demokratie aber nicht die Politik, sondern der Souverän, die Bevölkerung.

Bei der gescheiterten Reform AV 2020 gehörte die CVP zu den Verlierern. War es ein Fehler, mit der Linken zusammenzuspannen?

Nein, ganz bestimmt nicht. Gegen den Widerstand der geschlossenen Linken lassen sich in der Schweiz keine Sozialreformen erzielen. Aus diesem Grund ist es richtig, die moderaten Linken einzubinden. Das ist uns bei der Reform AV 2020 auch gelungen. Ich habe die Vehemenz, mit der die Gegner sich gegen die 70 Franken mehr AHV einschossen, nie ganz begriffen. Es war sicher keine perfekte Vorlage, aber es war mit Bestimmtheit eine Vorlage, die zumindest für die nächsten acht Jahre ein Schritt in die richtige Richtung gewesen wäre. Jetzt wird sich zeigen, ob ein nächster Schritt in die richtige Richtung beim Volk mehr Chancen haben wird. Ich bin da noch nicht so sicher.

Nach dem Abstimmungsdebakel will der Bundesrat die erste und die zweite Säule nun separat reformieren. Was steht bei der AHV-Reform für die CVP im Vordergrund?

Wir wollen das Rentenniveau halten und zwar über beide Säulen hinweg. Ferner möchten wir die AHV so langfristig wie möglich saniert sehen und schliesslich ist für uns klar, dass das Rentenalter 65 für Männer und Frauen nötig ist. Für die Anhebung des Rentenalters für Frauen braucht es allerdings einen wie auch immer gearteten Ausgleich. Eine reine Abbauvorlage hat beim Volk nach wie vor keine Chance. Ich sehe bei der Reform der AHV die CVP und die FDP in einer besonderen Verantwortung. Diese beiden Parteien müssen den Lead übernehmen, eine gute, pragmatische Lösung hervorbringen und versuchen, die anderen Parteien mitzunehmen.

A picture of Gerhard Pfister giving the interview.

Wie wollen Sie der AHV die nötigen Mehreinnahmen beschaffen?

Auf den gleichen Grundlagen wie bei der Reform AV 2020. Wir können einer nächsten Vorlage nicht beliebig viele neue Elemente beifügen. Es geht vielmehr darum, die Elemente der Reform AV 2020 anders zu kombinieren. Die Finanzierung wird nicht ohne Erhöhung der Mehrwertsteuer möglich sein. Die politische Auseinandersetzung wird sich darauf fokussieren, wie weit diese Erhöhung gehen soll.

Gibt es für die CVP eine obere Limite bei der Erhöhung der Mehrwertsteuer?

Es wäre falsch, zum jetzigen Zeitpunkt eine fixe Zahl zu nennen. Die Diskussionen rund um die AHV-Reform sind ja erst angelaufen, und man weiss nicht, wann die Vorlage ins Parlament kommt. Daher wäre es falsch, in einer so frühen Phase zu sagen, das oder das kommt für uns nicht in Frage.

Wie stehen Sie zu einer Erhöhung der Lohnprozente?

In diesem Bereich haben die Arbeitgeber bei der letzten Vorlage eine eher ambivalente Rolle gespielt. Sie haben diese Finanzierungsmöglichkeit im Wissen attackiert, dass man auch bei einer neuen Vorlage vermutlich nicht darum herum kommen wird, eine Lohnprozenterhöhung miteinzubeziehen. Aus meiner Sicht muss diese aber möglichst moderat sein. Wir wollen keine zusätzliche Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit des Arbeitsplatzes Schweiz.

Das Ausland beneidet die Schweiz um das bewährte 3-Säulen-System, in der Schweiz geniesst dieses weit weniger Support. Warum ist das so?

Ich nehme das anders wahr. Das 3-Säulen-System ist mit einer existenzsichernden 1. Säule, einer sozialpartnerschaftlich organisierten 2. Säule und mit der Eigenverantwortung in der 3. Säule ein ausgezeichneter Ansatz. Ich bestreite, dass diese Lösung in der Schweiz nicht anerkannt ist. Natürlich gibt es politisch unterschiedliche Ausprägungen. So ist der Linken die AHV wichtiger, der Rechten eher die Selbstverantwortung. Aber es ist ein geniales System, das man da geschaffen hat. Einen Konstruktionsfehler sehe ich einzig bei der 2. Säule, weil man – dem Zeitgeist der 1980er Jahre folgend – die Verantwortung für den Umwandlungssatz dem Bundesrat übertragen hat. Wohl in der Annahme, der Satz werde nie tiefer gehen als beim damaligen Stand.

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Zu den Pensionskassen: Besteht nicht die Gefahr, dass Zinsumfeld und demografische Entwicklung die 2. Säule aus den Angeln heben und wir Opfer von nicht finanzierbaren Leistungsversprechen werden?

Ja, dieses Risiko besteht. Aus meiner Sicht ist die 2. Säule mindestens so gefährdet wie die 1. Säule. Und ich verstehe nicht, weshalb jetzt auch der Bundesrat die Sanierung der 2. Säule als nicht mehr so dringend erachtet. Die Sanierung der 2. Säule auf die lange Bank zu schieben und diese den Sozialpartnern zu überlassen, ist nicht der richtige Weg. Wir leben immer stärker auf Kosten der Jungen. Im Abstimmungskampf zur AV 2020 habe ich das Problembewusstsein klar gespürt, die meisten sehen den Handlungsbedarf. Nur weil man sich vor unangenehmen Fragen drücken will, sollte das Lösen der Probleme bei der 2. Säule nicht hinausgeschoben werden.

Sollen Rentenbezüger an der Sanierung der 2. Säule beteiligt werden oder sind erworbene Rentenansprüche tabu?

Wir tun gut daran, an den Rentenansprüchen nicht zu rütteln. Ich halte einen solchen Schritt für die ultima ratio – so weit sind wir nun aber wirklich nicht. Wir müssen alles daran setzen, das System zukunftsfähig zu gestalten. Die erworbenen Rentenansprüche infrage zu stellen wäre faktisch ein Abbau des Rentenniveaus. Das halte ich einerseits für politisch chancenlos, anderseits für ethisch nicht gerechtfertigt.

Sollte die 3. Säule vom Staat gefördert werden, um die 1. und 2. Säule zu entlasten?

Unbedingt. Ich bin ein Fan der 3. Säule und habe seit mehr als 25 Jahren selber eine. Hier hat der Staat eine gute Gelegenheit, die Selbstverantwortung seiner Bürgerinnen und Bürger zu stärken und auch junge Leute wirklich zum Sparen zu motivieren. Mehr Liberalismus und mehr Eigenverantwortung wären in der Altersvorsoge durchaus möglich und aus meiner Sicht absolut erwünscht.

Was müssen die Pensionskassen tun, um zu verhindern, dass die 2. Säule an die Wand gefahren wird?

Ich habe hohen Respekt vor den Aufgaben, die Pensionskassen heute bewältigen müssen. Die Bedingungen sind unglaublich schwierig. In einem solchen Umfeld die nötige Performance zu erbringen, ohne stark in die Risiken zu gehen, ist eine grosse Herausforderung. Vor diesem Hintergrund wären Pensionskassen gut beraten, der Politik klar zu machen, wie gross der Anlage-Notstand heute ist. Obwohl die Schweiz über einen Finanzplatz verfügt, der bezüglich Expertise und Kompetenz weltweit seinesgleichen sucht, sind wir bei den Anlagen aus meiner Sicht zu konservativ. Wir müssen Anlagepolitik und Investitionsmöglichkeiten für die Pensionskassen liberalisieren.



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Zur Person
Gerhard Pfister
Nationalrat und Präsident der CVP Schweiz

Gerhard Pfister, 1962, ist seit 2003 Nationalrat für den Kanton Zug und seit 2016 Präsident der CVP Schweiz. 1989 lizenzierte er an der Universität Fribourg in Germanistik und Philosophie und schloss 1996 den Lehrgang Schulmanagement für Schulleiter am Institut für Wirtschaftspädagogik an der HSG St. Gallen ab. 1998 promovierte er zum Dr. phil. an der Universität Basel. Gerhard Pfister ist verheiratet und in zahlreichen Verwaltungs- und Stiftungsräten aktiv.

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