Fachartikel von Siegfried Hischke im Magazin bAV 2020

Drum prüfe, wer sich ewig bindet

Kollektive Risikoabsicherung über die bAV und Care-Management miteinander verknüpfen

Es gab schon immer viele Analogien zu Friedrich Schillers „Glocke“. Etwas ungewöhnlich, aber passend ist die Verknüpfung zur aktuellen Arbeitswelt. So weiß man heute, dass viele (junge) Arbeitnehmer sich kaum oder gar nicht mehr emotional mit ihrem Arbeitgeber verbunden fühlen. Sie sind deutlich wechselwilliger als die früheren Generationen. Zugleich setzen Arbeitgeber – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels – auf die Bindungswirkung sogenannter Fringe-Benefits. Ist dann die betriebliche Altersversorgung die erste Wahl, bindet diese den Arbeitgeber klassischerweise für eine langen Zeitraum.

Pionier Alfred Krupp

Nun könnte man meinen, dies sei ein Problem der Neuzeit. Aber bereits vor über 150 Jahren – zu Beginn der Industrialisierung – standen Unternehmer vor der gleichen Herausforderung. Alfred Krupp war einer von ihnen. Er erkannte früh, mehr für seine Arbeiter tun zu müssen, um im Wettbewerb zu bestehen. Fachkräfte waren schon damals rar, und Krupp verband die Hoffnung, durch Zahlung höherer Löhne seine Arbeiter langfristig an sein Unternehmen zu binden. So sagte er damals: „9 Silbergroschen ist hier der eigentliche Lohn, wir geben aber allen Leuten 1 Silbergroschen mehr, um sie sicher zu behalten. [...] Die Frage aber ist: Was muss ein Mann [...] verdienen, um gut leben zu können, um der Fabrik, die ihm seinen Unterhalt gibt, treu zu bleiben und nicht bei irgendeiner Veranlassung zu Mehrgewinn gleich davon zu laufen.“ (Zitiert nach Stercken und Lahr (1992), S. 168)

Doch Krupp erkannte auch, dass es nicht ausreichte, nur die Löhne zu erhöhen. Vielmehr nutzte er weitere Zusatzleistungen wie zum Beispiel die Unterstützung bei der Wohnsituation und der Güterversorgung, um seine Arbeiter zu binden. Damit war Alfred Krupp einer der ersten „Social Entrepreneurs“ dieser Zeit, und er hat neben anderen Unternehmern dieser Epoche wie Robert Bosch und Werner von Siemens den Grundstein für die heutige betriebliche Altersversorgung gelegt.

Es brauchte dann noch einmal über 100 Jahre, bis das „Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG)“, kurz Betriebsrentengesetz, im Jahr 1974 das Licht der Welt erblickte. Das Gesetz bildete erstmals eine (arbeitsrechtliche) Grundlage für Versorgungswerke, an die sich Unternehmer und Arbeitnehmer von nun an und in Zukunft halten mussten. Zu dieser Zeit war die Gesamtversorgung der Bevölkerung – noch – gesichert. Das Fundament der Absicherung stand auf drei Säulen, wobei die erste Säule mit der gesetzlichen Rentenversicherung – bis heute – den größten Anteil an der Versorgung aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten stellte.

Gegen die Schieflage der gesetzlichen Rente
Die demographische Entwicklung und die steigende Lebenserwartung in Deutschland sorgten in den zurückliegenden Jahrzehnten dafür, dass das Modell der gesetzlichen Rentenversicherung in eine Schieflage geriet. Immer weniger aktive Arbeitnehmer mussten eine größer werdende Gruppe von Rentnern finanzieren. Der Gesetzgeber sah sich folglich veranlasst, das Rentenniveau schrittweise anzupassen. Von auskömmlichen 60 Prozent Mitte der achtziger Jahre reduzierte sich das Sicherungsniveau vor Steuern auf heute nur noch 47 Prozent des durchschnittlichen beitragspflichtigen Entgelts aller Versicherten. In der Folge versuchte man zunächst, mit dem Altersvermögensgesetz (AVmG 2002) die im Umlageverfahren organisierte gesetzliche Rente durch eine staatliche  Förderung der kapitalgedeckten privaten Altersvorsorge und betrieblichen Altersversorgung zu ergänzen. 

Der betrieblichen Altersversorgung kam dabei ein  besondere Rolle zu. Durch ihre kollektive Durchführung verband sie Vorteile, die eine zusätzliche Altersversorgung in besonders effektiver, kostengünstiger Form ermöglichte. Die damit erhöhte Kalkulationssicherheit des Arbeitgebers sollte zu einer Erhöhung der Attraktivität der betrieblichen Altersversorgung insbesondere auch bei kleinen und mittelgroßen Arbeitgebern (KMU) beitragen. Doch schon drei Jahre später mussten mit dem Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) weitere Anpassungen vorgenommen werden. Am Ende führten beide Reformen nicht zu den erwarteten Beteiligungsquoten in der betrieblichen Altersversorgung. Vor allem in Betrieben mit weniger als zehn Mitarbeitern haben heute nur 30 Prozent der Beschäftigten eine betriebliche Altersversorgung. 42 Prozent der Geringverdiener mit einem Bruttolohn von weniger als 1.500 Euro haben weder eine Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung noch einen Riestervertrag. Auch die dritte Säule – die private Altersvorsorge – blieb deutlich hinter den Erwartungen zurück.

Mit dem nun ab 1. Januar 2018 in Kraft getretenen Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) unternahm der Gesetzgeber einen erneuten – vielleicht letzten – Versuch, zusätzliche Impulse zur Stärkung der zweiten Säule zu setzen. Das Gesetz markiert einen weiteren Paradigmenwechsel, und die reine Beitragszusage ist quasi der mittlerweile sechste Durchführungsweg.

Absicherung des Invaliditätsfalls
An dieser Stelle soll aber nicht weiter auf das BRSG und seinen Inhalt eingegangen werden, sondern vielmehr auf das, was nicht im Gesetz steht. Wie schon bei allen Reformen und Gesetzen zuvor hat der Gesetzgeber auch beim BRSG einer Leistung der bAV keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl die Versorgungslücke bei der Mehrzahl der Beschäftigten sehr groß ist. Es geht dabei um die Invaliditätsabsicherung.

Warum ist das so? Welche Lösungen bieten sich an? Zunächst lohnt ein Blick in das Betriebsrentengesetz. Im Paragraph 1 Absatz 1 heißt es seit dem 19. Dezember 1974 in fast unveränderter Form: „Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt (betriebliche Altersversorgung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes ….“ Zumindest an dieser Stelle hat der Gesetzgeber klar dokumentiert, dass neben der Altersrente auch die vorzeitigen Risiken in der Gesamtversorgung der Beschäftigten Berücksichtigung finden sollten. So finden sich in vielen Versorgungswerken nach Einführung des Gesetzes bis in die frühen neunziger Jahre auch alle drei Leistungsbegriffe in entsprechender prozentualer Aufteilung wieder. 

Doch spätestens mit Einbindung der Entgeltumwandlung in das Gesetz (§1 Abs. 2 Nr.3) und dem Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung (§ 1a Abs. 1 BetrAVG) verlagerte sich die Finanzierung zunehmend auf den Arbeitnehmer. Da man bekanntlich den Euro nur einmal ausgeben kann, entschieden sich viele Beschäftigte in der Folge für die Förderung ihrer Altersrente. Für die Hinterbliebenen und Invaliditätsabsicherung standen häufig keine Mittel mehr zur Verfügung. Diese Entwicklung hatte, gerade im Hinblick auf die Versorgung im Invaliditätsfall, dramatische Folgen.

Die Entwicklung der gesetzlichen Versorgung im Invaliditätsfall in den letzten Jahren veranschaulicht die besondere Dramatik. Zum 1. Januar 2001 trat das „Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit“ in Kraft. Bis zu diesem Zeitpunkt galten Personen als berufsunfähig, wenn ihre Erwerbsfähigkeit im ausgeübten Beruf durch eine Krankheit oder auch Behinderung mindestens zur Hälfte vermindert war. Mit der Einführung des Gesetzes änderte sich das für alle Beschäftigten, die nach dem 1. Januar 1961 geboren wurden. Diese sind nicht mehr über die gesetzliche Berufsunfähigkeitsversicherung abgesichert. Für sie gilt nur noch die Absicherung über die geringere Erwerbsminderungsrente. Damit vergrößerte sich von einem Tag auf den anderen für die Mehrzahl der Beschäftigten die Versorgungslücke im Falle der Invalidität. 

Aktuell beziehen in Deutschland rund 1,8 Millionen Menschen eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (Erwerbsminderungsrente). Die meisten davon beziehen eine volle Erwerbsminderungsrente. Voraussetzung ist, dass der Betroffene nur noch weniger als drei Stunden täglich arbeiten kann. In diesem Fall  zahlt die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) durchschnittlich 772 Euro an den Erwerbsgeminderten. Die geringe Rente führt bereits heute dazu, dass 15 Prozent der Bestandsrentner zusätzlich Grundsicherung beziehen müssen. Das letztjährige Rentenpaket der Bundesregierung passte das aktuelle Rentenniveau zwar schrittweise an. Dies gilt aber nur für die jeweiligen Neurentner.

bAV und Invaliditätsabsicherung verknüpfen
Nun stellt sich die Frage: Wie kann eine betriebliche Altersversorgung – sinnvoll eingesetzt – die Versorgungslücke bei den Beschäftigten schließen und zugleich auch dem Unternehmen ökonomisch dienlich sein.

Bislang waren Arbeitgeber eher zögerlich, wenn es darum ging, einen Baustein zur Invaliditätsabsicherung in die eigene bAV mit aufzunehmen. Häufig wurde dies mit potenziellen Haftungsrisiken begründet. Bevorzugter Durchführungsweg für derartige Modelle war meist die Direktversicherung nach § 3.63 EStG. Die Aufnahme in derartige Versorgungen war abhängig vom individuellen Gesundheitszustand des Mitarbeiters, und die Beiträge waren trotz Gruppenrabatte nur geringfügig besser als in der dritten Schicht. Damit zeigen sich bereits zwei wesentliche Punkte, die zu einer erhöhten Attraktivität der betrieblichen Invaliditätsabsicherung führen könnten: ein vereinfachter Aufnahmeprozess und deutlich geringere Beiträge. Ebenso entscheidend – vor allem im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) – ist ein möglichst geringer administrativer Aufwand der bAV. Und nicht zu vergessen die Möglichkeit, sich nach Ausscheiden des Mitarbeiters auch von der Verpflichtung zu lösen.

Die neue reine Beitragszusage (rBZ) zeigt zumindest bei der Altersrente einen gangbaren Weg aus diesem Dilemma. Neben der Haftungsreduzierung „Pay and Forget“ ist vor allem die stärkere Kollektivierung bei der Finanzierung von Leistungen aus der rBZ ein Quantensprung in der deutschen bAV. Im internationalen Vergleich gehören wir damit aber zu den Spätzündern. Dieser Ansatz der echten Kollektivierung lässt sich auch auf die Absicherung der übrigen biometrischen Risiken wie etwa die Hinterbliebenen- und Invaliditätsabsicherung übertragen. Anders als bei der bisher üblichen Kalkulation auf Basis individueller Risiken wird nunmehr das ganze Kollektiv einer Belegschaft zugrunde gelegt. Voraussetzung ist dabei die obligatorische Einbindung aller oder ausgewählter Mitarbeitergruppen. Eine Kombination mit einem arbeitnehmerfinanzierten Baustein ist bei entsprechender Kollektivgröße und passender Aufteilung (Matching) ebenfalls möglich. 

Das Konzept der arbeitgeberfinanzierten kollektiven Risikoabsicherung bietet damit die Möglichkeit der Einbindung aller Beschäftigten eines Unternehmens ohne Risikoprüfung (vereinfachte Aufnahme). Zusätzlich führt die besondere kollektive Kalkulation zu einem deutlich geringeren Beitrag im Vergleich zu den bisher bekannten Modellen.

Direktzusage als idealer Durchführungsweg
Die Umsetzung dieses Modells wäre grundsätzlich in allen Durchführungswegen möglich. Allerdings zeigt sich die ideale Anwendung in der Direktzusage, zumal sie noch immer der bedeutendste Durchführungsweg mit 303,1 Milliarden Euro (49,5 Prozent der Deckungsmittel) in der bAV ist.

Deckungsmittel in der bAV

Die wesentlichen Vorteile der Direktzusage liegen in ihrer hohen Flexibilität bei der Dotierung (keine Limitierung) und der Zusagengestaltung selbst. Die zugrundeliegende Zusage wird jeweils für ein Jahr erteilt. Im Folgejahr erfolgt eine erneute Zusage (keine Verlängerung). Durch dieses aus der Schadenversicherung bekannte Prinzip der einjährigen Deckung wird zum einen die kollektive Beitragskalkulation vereinfacht, zum anderen entfällt die erzwungene langfristige Bindung an die Zusage. In der Folge entstehen bei korrekter Umsetzung keine unverfallbaren Ansprüche. Der Arbeitgeber erhält damit die gewünschte Flexibilität bei der Gestaltung der Versorgung. An dieser Stelle sollte darauf hingewiesen werden, dass diese Konstruktion nach aktueller arbeitsrechtlicher Einschätzung keinen Umgehungstatbestand darstellt. Die einjährige Zusage des Arbeitgebers folgt kongruent der besonderen Tarifgestaltung des Rückdeckungsversicherers. Nur so können dem Arbeitnehmer die besonderen Vorteile – garantierte Aufnahme und höhere Leistungen – geboten werden.

Ein Blick in das neue BRSG zeigt, dass auch der Gesetzgeber die Unverfallbarkeit von Anwartschaften auf vorzeitige Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nicht verlangt. In der Begründung zu § 22 BetrAVG in Deutscher Bundestag Drucksache 18/11286 heißt es dazu: „Die sofortige Unverfallbarkeit wird als gesetzliche Mindestschutznorm auf den Fall der Altersrentenanwartschaft beschränkt. Damit wird den Tarifvertragsparteien im Hinblick auf Invaliditäts- und Hinterbliebenenrentenanwartschaften Spielraum für passgenaue und effiziente Lösungsmöglichkeiten im Sinne der Beschäftigten eröffnet.“ Diese gesetzgeberische Entscheidung beruht auf den expliziten Empfehlungen zugunsten von befristeten Zusagen im Rechtsgutachten von Hanau/Arteaga „Sozialpartnermodell Betriebsrente“, erstellt für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom April 2016 (vgl. dort Abschnitte B. II. 5. bzw. C. III. 3. c). Einen weiteren Vorteil für den Arbeitgeber stellt die vereinfachte Verwaltung des Vertrags dar. Unterjährige Zu- und Abgänge innerhalb des Kollektivs müssen grundsätzlich nicht gemeldet werden. Diese Personen werden gemäß ihrer kollektiven Zuordnung automatisch aufgenommen und erhalten mit Diensteintritt in das Unternehmen den vereinbarten vollen Versicherungsschutz. Dieser Aspekt der automatischen Aufnahme optimiert das Personalrecruiting und unterstützt in esonderem Maße die HR-Aktivitäten. Dieser Punkt macht das Konzept vor allem für die rund 2,5 Millionen KMU in Deutschland (Stand 2017) attraktiv.

Hoher Personalbedarf in KMU
KMU bilden mit 99,3 Prozent die überwiegende Mehrheit der Unternehmen in Deutschland. Sie reagieren daher ganz besonders empfindlich auf Veränderungen am Arbeitsmarkt, da sie mit 61 Prozent auch den Großteil aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten stellen. Der aktuelle Wandel vom Arbeitgebermarkt zum Bewerbermarkt erhöht zusätzlich den Druck auf die Unternehmen. Laut einer Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young GmbH (EY) vom Januar 2019 gaben fast 60 Prozent von 1.500 befragten Unternehmen an, dass der Fachkräftemangel aus ihrer Sicht derzeit die größte Gefahr für die Entwicklung ihres Unternehmens darstellt. Vier von fünf Unternehmen haben bereits Probleme, offene Stellen zu besetzen (EY, „Mittelstandsbarometer 2018“).

Für Arbeitgeber ist es daher existentiell, Fachkräfte zu finden und letztlich auch langfristig an das Unternehmen zu binden. Erschwerend kommt hinzu, dass sich laut dem Gallup-Institut („Gallup Engagement Index 2016“) 85 Prozent der Arbeitnehmer kaum oder gar nicht emotional mit ihrem Arbeitgeber verbunden fühlen. Die Folgen sind eine höhere Fluktuation, mehr Fehltage und eine geringere Produktivität. Das ideale Modell muss also mehrere Anforderungen erfüllen. Zum einen sollte es die Attraktivität steigern (Employer Branding), um die Wettbewerbsfähigkeit im Kampf um Fachkräfte (War for Talents) zu verbessern. Auf der anderen Seite muss es einen echten Mehrwert für den einzelnen Arbeitnehmer darstellen, um die höchstmögliche Bindungswirkung zu erreichen.

Der zuvor beschriebenen kollektiven Risikoabsicherung kann dabei eine besondere Rolle zukommen. Durch das automatische Aufnahmeverfahren können selbst Arbeitnehmer in den Genuss der Absicherung kommen, die möglicherweise aus gesundheitlichen Gründen privat keine derartige Deckung erhalten würden. Die im Vergleich geringeren Beiträge versetzen den Arbeitgeber zusätzlich in die Lage, bei vorgegebenem Budget die Deckungssummen zu erhöhen,was am Ende wieder dem Arbeitnehmer in Form verbesserter Leistungen zugutekommt.  

Value on Investment
Nun verhalten sich Unternehmer gewöhnlich nicht altruistisch und entscheiden nicht nur nach sozialen Aspekten. Ihre Entscheidungen sind vielmehr betriebswirtschaftlich getrieben. Jedem Kapitaleinsatz wird regelmäßig ein erwarteter Ertrag gegenüber gestellt und damit entscheidet letztlich der Return on Investment (ROI) über Einführung oder Nichteinführung der bAV.

Es ist daher ein echter Mehrwert, ein Value on Investment (VOI), erforderlich. Dieser könnte in der Reduzierung von krankheitsbedingten Fehlzeiten liegen. Im Jahr 2017 lagen die volkswirtschaftlichen Kosten durch Arbeitsunfähigkeit bei 136 Milliarden Euro (ausgefallene Bruttowertschöpfung, Quelle: BAUA). Die Mitarbeiter waren in diesem Jahr im Schnitt 16,7 Tage arbeitsunfähig. Damit lag die Fehlzeitenquote bei rund 4,6 Prozent.


 

 

Teure Fehlzeiten

Da es sich um einen Durchschnittswert handelt, kann dieser in einzelnen Branchen bzw. Unternehmen deutlich höher liegen. Werte von bis zu 10 Prozent sind dabei nicht ungewöhnlich, das heißt, bei einer Belegschaft von 1.500 Mitarbeitern wären täglich 150 Mitarbeiter nicht an ihrem Arbeitsplatz.

Gründe für diese Fehlzeiten sind mannigfaltig, und sie liegen nicht immer im beruflichen Umfeld begründet. Dazu kommt, dass in den letzten Jahren psychische Erkrankungen überproportional zugenommen haben.

Grafik Häufigste Gründe, die zur Berufsunfähigkeit führen

Arbeitnehmer müssen heute weitaus mehr leisten, als es in Bezug auf die Gesundheit gut und ratsam ist. Psychische Belastungen sind die Folge und können, wenn es in einem Unternehmen keine Prävention für die psychische Gesundheit gibt, zum Burnout und damit zum Ausfall eines Mitarbeiters führen. Dies kann wiederum zu einer Mehrbelastung von Kollegen und damit zu weiteren Ausfällen führen. Eine schnelle Wiedereingliederung des Erkrankten könnte
zusätzlichen Schaden abwenden. Ein Blick in die Schweiz zeigt, dass dort bereits seit mehr als 20 Jahren erfolgreich an der Reduzierung krankheitsbedingter Fehlzeiten gearbeitet wird. Das sogenannte Care-Management, eine zusätzliche Dienstleistung zur zielgerichteten und individuellen Hilfe betroffener Arbeitnehmer im Rahmen der betrieblichen Vorsorge, gehört dort in vielen Unternehmen bereits zum Standard. Vergleichbare Konzepte finden sich seit einigen Jahren auch in Deutschland.

Das Care-Management ist immer auf die Bedürfnisse des Arbeitgebers zugeschnitten, mit welchem eine enge Abstimmung erfolgt. Die Teilnahme am Care-Management ist für den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer freiwillig. Der Arbeitgeber und der erkrankte Arbeitnehmer werden während des Genesungsprozesses zielorientiert durch einen persönlichen Care-Manager – einen neutralen Lotsen in diesem Prozess mit langjähriger Erfahrung in den Bereichen Medizin, Soziales und Arbeitsintegration – unterstützt. Hierbei werden arbeitsplatzbezogene und persönliche Belange berücksichtigt.

Grafik elipsLife Care-Management

Ein sinnvoller Baustein des Care-Managements sind zudem telefonische Helplines. Sie sind ein guter Einstieg, da sie dem Betroffenen einen direkten, aber vor allem anonymen Zugang zu geschultem medizinischem Personal bieten. Arbeitnehmer erhalten so Unterstützung durch medizinische Zweitmeinungen, Beratung rund um Themen wie Medikamente oder Impfungen, aber auch die Vermittlung eines schnelleren Zugangs und von Terminen bei Fachärzten. Bedarfsgerecht sind auch Angebote, die zusätzlich eine psychologische Erstberatung am Telefon anbieten.

In der Schweiz zeigen die Erfahrungen, dass durch den gezielten Einsatz des Care-Managements die Krankheitskosten im Unternehmen aktiv gesenkt werden können. Professionelle, gut implementierte, aktiv kommunizierte und in Anspruch genommene Maßnahmen zur Gesunderhaltung der Belegschaft können nach einer Studie von Roland Berger Strategy Consultants Fehlzeiten und demnach Kosten im Schnitt um 35 Prozent reduzieren. Der iga.Report 28 zur Wirksamkeit und Nutzen betrieblicher Prävention bestätigt diesen positiven Effekt. 

Fazit
In Zeiten des Fachkräftemangels ist Mitarbeiterbindung ein zentrales Element. Mitarbeiterbindung reduziert die Fluktuation und trägt zu einem guten Employer-Branding bei. Dagegen sinkt seit Jahren die emotionale Verbundenheit der Mitarbeiter zu ihrem Arbeitgeber. Betriebliche Zusatzleistungen (Fringe-Benefits) können diesen Gegensatz auflösen, wenn sie einen spürbaren Mehrwert für beide Seiten bieten. Die intelligente Verknüpfung aus kollektiver, arbeitgeberfinanzierter Risikoabsicherung im Rahmen der bAV mit einem Care-Management zur Gesunderhaltung der Belegschaft durch präventive und reintegrative Maßnahmen bietet klare Vorteile für Arbeitgeber und Arbeitnehmer und machen es zur smarten Lösung von Fachkräftemangel und krankheitsbedingten Fehlzeiten. Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob er nicht was Besseres findet!

Personal Profile
Siegfried Hischke
Head Employee Benefits elipsLife AG

Siegfried Hischke beschäftigt sich seit 30 Jahren mit der betrieblichen Altersversorgung. Er war in dieser Zeit in unterschiedlichen Fach- und Führungspositionen tätig. Dabei war er maßgeblich an der Entwicklung neuer Vorsorgekonzepte im deutschen Versicherungsmarkt beteiligt. Seit September 2017 verantwortet er die bAV-Aktivitäten der elipsLife AG in Köln. elipsLife, eine Tochter von Swiss Re, bietet mit der betrieblichen Einkommenssicherung die erste Versicherungslösung, die biometrische Risiken wie zum Beispiel Berufsunfähigkeit mit Reintegrationsmaßnahmen kombiniert.

Fachartikel «Drum prüfe, wer sich ewig bindet.»

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