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echo-Interview, Oktober 2018

Komplexität abbauen und Transparenz schaffen

ELIPSLIFE ECHO - EINE GESPRÄCHSSERIE MIT PERSÖNLICHKEITEN AUS DER WIRTSCHAFT

echo-Interview mit Marc Gerosa

Komplexität abbauen und Transparenz schaffen

elipsLife echo: Herr Gerosa, der Schweizerische Kaderverband SKV wurde 1988 gegründet, um die wirtschaftlichen und beruflichen Interessen seiner Mitglieder zu fördern. Was heisst das genau?

Marc Gerosa: Der SKV ist im Bereich der beruflichen Vorsorge tätig und hat die Rechtsform eines Vereins. Zweck unseres Verbandes ist der Zusammenschluss von Kaderpersonen, Selbständigerwerbenden und KMUs, die im Vorsorgebereich bedarfsgerechte und vorteilhafte Angebote suchen. Diese bietet der SKV seinen Mitgliedern zu Verbandskonditionen an.

Welche Vorteile bietet der SKV seinen Mitliedern denn an?

Für KMU und Selbständigerwerbende ist es im Vorsorgebereich relativ schwierig, gute Produkte zu finden. Der Kaderverband konzipiert deshalb für diese Zielkreise geeignete Produkte zum Beispiel in der beruflichen Vorsorge. Der SKV ist von den Ostschweizer Aufsichtsbehörden als Berufsverband anerkannt und kann daher auch branchenübergreifend für Selbständigerwerbende mit oder ohne Personal BVG-Lösungen anbieten. Das gibt es sonst nirgends in der Schweiz. Selbständigerwerbende müssen sich in der Regel an ihren jeweiligen Berufsverband wenden und falls es einen solchen in ihrer Branche nicht gibt, an die Stiftung Auffangeinrichtung BVG gelangen. Diese bietet aber weniger attraktive Konditionen.

Der SKV ist ausschliesslich im BVG aktiv?

Nein, wir haben auch im Bereich der 3. Säule vorteilhafte Angebote, zum Beispiel die Säule 3b als reine Risikoversicherung. Und wir bieten auch Versicherungslösungen an, die über die Vorsorge hinausgehen. So haben wir unlängst Haftpflichtversicherungen aufgegleist – Berufshaft- und Betriebshaftpflicht sowie eine Organhaftpflicht. Diese Bereiche passen gut zum Angebotspaket des SKV. Ferner sind wir im Krankenkassengeschäft und in der Taggeldversicherung tätig, wo für Selbständigerwerbende und Kleinunternehmer grosser Bedarf besteht. In diesem Bereich ist es für KMUs heute schwierig, attraktive Bedingungen zu erhalten. Da können wir helfen. Beim SKV bleibt die Altersvorsorge aber das zentrale Thema, besonders die berufliche Vorsorge ist bei uns zu einem ganz wichtigen Standbein geworden.

Vorteilhafte Versicherungslösungen für die Mitglieder realisieren Sie durch Kollektiv-Abschlüsse.  Wie wählen Sie ihre Versicherungspartner aus?

Grundsätzlich holen wir pro Produkt einen Partner ins Boot. Es muss sich um eine etablierte, wirtschaftlich gesunde Gesellschaft handeln, der unsere Mitglieder vertrauen können. Das Produkt muss einfach und flexibel sein, und es muss auf die Interessen unserer Mitglieder eingehen. Das heisst, wir suchen Versicherungspartner, bei denen die Bereitschaft besteht, Lösungen zusammen mit uns zu erarbeiten.

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Stellen Sie bei Ihren 17‘000 Mitgliedern heute ein wachsendes oder ein sinkendes Interesse an der Vorsorge fest?

Wegen der zuletzt grossen Medienpräsenz des Themas ist das Interesse leicht gestiegen, grundsätzlich sehen wir aber keine Veränderungen. Viele SKV-Mitglieder sind im mittleren Alter oder gehen Richtung Pension. Bei diesen ist Vorsorge ein grosses Thema. Auf der anderen Seite ist das Interesse bei Jungen und Leuten mit geringem Einkommen fast nicht vorhanden. Leider, denn das Thema betrifft alle. Anders ist es bei den Selbständigerwerbenden, wo das Thema Vorsorge ganz anders positioniert ist. Sie müssen sich von Beginn weg selbst aktiv um ihre Vorsorge kümmern. Wir hören auch immer wieder von Mitgliedern, dass sie das Thema zu lange vernachlässigt hätten. Die brennenden Themen bei unseren Mitgliedern sind aktuell die Rentensicherheit, Rente versus Kapitalbezug, die Entwicklung des Umwandlungssatzes, der Deckungsgrad und die anlagepolitischen Probleme.

Die Altersvorsorge ist zuoberst auf dem Sorgenbarometer, doch seit 20 Jahren kommt keine Reform mehr zu Stande. Bundesrat und Parlament wollen in einem nächsten Anlauf die Sanierung der AHV vorziehen und es könnte zu einer Verknüpfung von Unternehmenssteuerreform und AHV-Finanzierung kommen. Eine gute Idee?

Ich lehne die Verknüpfung der Unternehmenssteuerreform mit der AHV-Finanzierung ab. Ich betrachte das als politische Trickserei oder etwas salopper: als Kuhhandel. Die beiden Themen sind total sachfremd und sollten deshalb meines Erachtens nicht vermischt, sondern separat angegangen werden.

Setzen Sie auf eine Erhöhung der Lohnprozente oder ziehen Sie eine höhere Mehrwertsteuer vor?

Das 3-Säulen-System muss unbedingt geschützt werden, egal welche Massnahmen es dazu braucht. Persönlich würde ich die Erhöhung der Mehrwertsteuer vorziehen, allerdings sollte diese in möglichst geringem Ausmass erfolgen.

Die neue Vorlage sieht keine Erhöhung des Rentenalters für Frauen mehr vor. Wie stehen Sie zum Rentenalter 65 für Frauen?

Die Erhöhung des Rentenalters für Frauen ist wegen der höheren Lebenserwartung der Frauen im Vergleich zu Männern und wegen der allgemein steigenden Lebenserwartung der Menschen zwingend. Langfristig muss wohl aufgrund der demografischen Entwicklung für alle ein Rentenalter von 66 oder 67 ins Auge gefasst werden. Allerdings wird es in Richtung „flexibler Rentenantritt“ gehen, wählbar zwischen 60 und 70 Jahren. Vielleicht wird früher oder später auch das branchenabhängige Rentenalter eingeführt. Auf jeden Fall braucht es eine gewisse Flexibilität, um besser auf die Bedürfnisse jedes Einzelnen eingehen zu können.

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Zu den Pensionskassen: Besteht nicht die Gefahr, dass Zinsumfeld und demografische Entwicklung die 2. Säule aus den Angeln heben und wir Opfer von nicht finanzierbaren Leistungsversprechen werden?

Die Gefahr besteht tatsächlich. Solange das Marktumfeld gut ist, sehe ich bei der 2. Säule keine grossen Probleme. Kommen aber wirtschaftlich schwierigere Zeiten, wird sich das ändern. Die PKs werden dann schnell Gegensteuer geben müssen. Aus meiner Sicht ist der Schritt von der Vollversicherung in die teilautonome Versicherung der richtige Weg, um sich auf wirtschaftliche Turbulenzen vorzubereiten. Die Pensionskassen können so freier handeln und die Altersguthaben besser verzinsen. Zudem sind die Beiträge tiefer. Diese Vorteile kommen dem einzelnen Versicherten zugute. Der Schritt zur teilautonomen Lösung funktioniert, wenn eine Pensionskasse gut arbeitet, einen soliden Deckungsgrad aufweist und das Verhältnis Rentner-Aktive im Griff hat.

Sollen Rentenbezüger an der Sanierung der 2. Säule beteiligt werden oder sind erworbene Rentenansprüche tabu?

Erworbene Rentenansprüche sollten grundsätzlich gesichert sein. Allerdings, würde dem System der Zusammenbruch drohen, dürften auch gesprochene Renten nicht mehr sicher sein. In diesem Zusammenhang muss ich fest halten, dass der gegenwärtige Umwandlungssatz von 6,8% zu hoch ist. Dieser muss nach unten angepasst werden, um die Pensionskassen langfristig auf sichere Beine zu stellen. Die negativen Auswirkungen der Senkung des Umwandlungssatzes liessen sich durch eine Anpassung des Koordinationsbetrags abfedern.

Wenn Sie heute den Pensionskassen in der Schweiz einen Rat geben könnten: Wie würde dieser lauten?

Wichtig ist, dass gegenüber den Kassenmitgliedern und den Firmen Transparenz gewährleistet ist. Die Komplexität im BVG ist enorm. Wer sich nicht täglich mit dem Thema beschäftigt, hat kaum eine Chance, die Materie zu verstehen. Das BVG muss allen Bevölkerungsgruppen auf eine einfache Art näher gebracht werden, klar und verständlich. Obschon das Thema alle angeht, wissen erschreckend viele Bürgerinnen und Bürger nicht, wie das System funktioniert. Sie beschäftigen sich nicht damit, weil die Komplexität von AHV, BVG und 3. Säule abschreckt. Zudem ist das BVG überreguliert. Komplexität reduzieren und Transparenz schaffen - die Pensionskassen sollten vermehrt Druck auf den Regulator ausüben und auf eine Vereinfachung des Gesamtsystems hinarbeiten.

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Zur Person
Marc Gerosa
Geschäftsführer, Schweizerischer Kaderverband SKV, St. Gallen

Marc Gerosa, 1974, Speicher AR, absolvierte eine betriebswirtschaftliche Ausbildung im Versicherungswesen. Daneben widmete er sich dem Fussball und durchlief alle Juniorenabteilungen des FC St. Gallen bis hinauf zur 1. Mannschaft des Vereins. Danach spielte er ein Jahr für den BSC Young Boys Bern, bevor er sich hauptberuflich auf das Versicherungswesen konzentrierte. 1996 stiess Gerosa zum Schweizerischen Kaderverband (SKV), wirkte in den folgenden Jahren am starken Ausbau des Verbands mit und übernahm 2012 als Geschäftsführer die operative Leitung. Gerosa ist verheiratet und Vater zweier Kinder.

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