echo Interview mit Brigitte Breisacher
echo-Interview, Oktober 2016

Die Politik muss handeln

ELIPSLIFE ECHO - EINE GESPRÄCHSRUNDE MIT PERSÖNLICHKEITEN AUS DER WIRTSCHAFT

Die Politik muss handeln

echo-Interview mit Brigitte Breisacher, Unternehmensleiterin und Inhaberin der alpnach norm-Holding AG

elipsLife echo: Frau Breisacher, alpnach norm steht für Qualitätsmöbel und Individualität, der Name aber suggeriert Standardisierung. Ein Widerspruch?

Brigitte Breisacher: Nein, das ist kein Widerspruch, im Gegenteil. Für uns ist die Individualität die Norm. Als mein Vater die Firma 1966 gründete, stellten wir tatsächlich Norm-Schränke her. Mit diesen Produkten sind wir gross geworden. Heute sind nicht die Schränke normiert, sondern unsere Prozesse. Hier setzen wir mit Standardisierung und Normen an. Das ist ein grosser Unterschied zu früher; gleichwohl  bleiben wir natürlich unserem Logo und unserem Label alpnach norm treu.

Wie unterscheiden sich Ihre Möbel-Produkte von jenen, die aus dem Ausland in die Schweiz kommen?

Der wichtigste Unterschied ist die Qualität. Wir schenken diesem Aspekt grosse Aufmerksamkeit und vergleichen unsere Produkte dauernd kritisch mit jenen anderer Möbelanbieter, die zu einem grossen Teil aus dem Ausland kommen. Das zweite Unterscheidungsmerkmal ist das Dienstleistungspaket, das wir unseren Kunden bieten. Mit unseren 12 Filialen in der ganzen Schweiz sind wir nahe bei ihnen und können so die Beratung vor Ort anbieten. Wir begleiten unsere Kunden im gesamten Prozess von der Beratung über die gemeinsame Entwicklung spezifischer Lösungen bis hin zum massgeschneiderten Einbau unserer Produkte durch unsere eigenen Monteure. Das sind die beiden grossen Unterschiede zwischen unserem Gesamtprodukt und jenen Produkten, die aus dem Ausland kommen.  

Welchen Einfluss haben die von den marktführenden Billiganbietern dominierten Trends auf die Angebotspalette von alpnach norm?

Nehmen wir Ikea als Beispiel. Ich bin Anfang Jahr letztmals in einem Laden dieser Kette gewesen, - aber die Produktepalette dort hat mich keineswegs inspiriert. Da wird so Vieles angeboten – ich hatte beinahe das Gefühl, erschlagen zu werden. Ich bezeichne diese Art von Anbietern gerne als Erstausrüster vor allem für junge Leute, die von zu Hause aus- und zum ersten Mal in eine eigene Wohnung einziehen. alpnach norm hingegen fokussiert auf eine andere Käuferschicht, unsere Philosophie ist eine ganz andere. Entsprechend sind wir auch nicht im  gleichen Preissegment tätig. Mit unseren Produkten können wir die Zielkunden der Billiganbieter gar nicht erreichen.

Weshalb sollen denn Konsumenten Schränke oder Küchen bei Ihnen kaufen?

Weil der Kunde bei uns ein Produkt erhält, das genau auf ihn zugeschnitten ist. Wir nehmen seine Wünsche auf und entwickeln zusammen mit ihm das Produkt. Und zwar so, dass seine Vorstellungen eins zu eins umgesetzt werden. Bei alpnach norm bleiben Kundenwünsche nicht auf dem Papier stehen.

echo Interview elipsLife mit Brigitte Breisacher

Welches sind die Absatzgebiete von alpnach norm? Exportieren Sie auch ins Ausland?

Unser Absatzmarkt ist schwergewichtig die Deutsch- und Westschweiz. In diesen Regionen haben wir wie erwähnt 12 Filialen von Genf bis in den Thurgau. Keine Filiale haben wir im Tessin, können dort aber häufig an Deutschschweizer Kunden liefern, die auch in ihrem Ferienhaus in der Südschweiz nicht auf unsere Produkte verzichten wollen. Ins Ausland exportieren wir nicht.

Wie schafft ein lokaler „Schreinerei-Betrieb“ den Schritt auf die nationale Ebene?

Wir haben uns mit unseren qualitativ hochstehenden Produkten einen guten Namen geschaffen und uns im Markt fest etablieren können. Stark geholfen haben uns dabei die Weiterempfehlungen vieler zufriedener Kunden. Von diesem „Schneeballeffekt“ haben wir profitiert. Heute achten wir darauf, mit unseren Filialen unsere Zielmärkte optimal abzudecken. Wichtig ist, dass wir dank des Beziehungsnetzes der lokalen Mitarbeitenden in den Filialen auch eine lokale Verankerung erreichen konnten. Zudem arbeiten wir  nicht nur mit lokalen Architekten und privaten Bauherren zusammen, sondern auch mit grossen, schweizweit tätigen Generalunternehmen. Und schliesslich spielt auch das auf unsere Zielmärkte ausgerichtete Marketing eine wichtige Rolle, um sich national etablieren zu können. 

Wie kann sich in der Möbelbranche ein Familienbetrieb mittlerer Grösse gegen die internationale Konkurrenz behaupten?

Indem wir schnell und agil sind. Das sind die wichtigsten Elemente, um gegen die Konkurrenz anzukommen. Im Vergleich zu anderen Unternehmen haben wir diesbezüglich grosse Vorteile. Als Familienbetrieb sind wir bankenunabhängig, und seit ich 2008 in die Fussstapfen meines Vaters getreten bin, gehört mir diese Firma zu 100%. Ich muss also bei Entscheiden nicht x andere Leute fragen und keine langwierigen Feedbackrunden abwarten. Ob etwas passt oder nicht, sehe ich schnell. Gerade in den heutigen schwierigen Zeiten ist es wichtig, schnell und flexibel  zu sein. Sicher sind dies auch viele kleinere Schreinereien, aber als Betrieb mit einer bestimmten Grösse haben wir den Vorteil, über mehr Kapazität und grössere finanzielle Mittel zu verfügen.

Dann müsste alpnach norm eine attraktive Übernahmekandidatin sein. Wann haben Sie letztmals ein Übernahmeangebot erhalten?

Die letzte Anfrage habe ich diesen Frühling bekommen. Ich habe dem Interessenten jedoch gesagt, dass wir unabhängig bleiben wollen und ich kein Interesse hätte, meine Firma zu verkaufen. Meine Aufgabe macht mir Freude und viel Spass. Ich bin noch zu jung, um mich einfach zurückzulehnen und die Beine hoch zu lagern. Ich will etwas bewegen können. alpnach norm ist meine Welt!

Sie unterstützen viele lokale Anlässe und mit der Breisacher Stiftung auch starke Leistungen von angehenden Berufsleuten. Mit welchem Ziel?

Die Bindung zur Gemeinde Alpnach und zu den Kantonen  Ob- und Nidwalden bedeutet uns sehr viel. Die meisten Mitarbeitenden kommen hier aus der Region. Sie verkörpern die Erfahrung und das Know-how unserer Unternehmung, die Loyalität und das Herzblut, das es für ein erfolgreiches Wirken braucht. Natürlich könnte ich Schränke zum Beispiel in Rumänien günstiger herstellen lassen, doch ich weiss ja nicht, was für Leute dort für mich arbeiten würden. Ich brauche zwingend Mitarbeitende, die nicht nur grosse handwerkliche Fähigkeiten mitbringen, sondern sich voll mit dem Unternehmen identifizieren und stolz sind, für unsere Unternehmung zu arbeiten. In diesem Sinn ist die Unterstützung lokaler Anlässe als Dankeschön an den Standort und an die Mitarbeitenden zu verstehen.

Die Gründung der Breisacher Stiftung  geht auf meinen Vater zurück. Er hat in seinem Leben viel erreicht und immer gesagt, dass ihm dies nur dank wohlgesinnten Menschen, harter Arbeit und einer Portion Glück gelungen sei. Gleichzeitig wollte er das Handwerk fördern, weil er sich eine Welt nur mit Studierten nicht vorstellen konnte und wollte. Ziel der Breisacher Stiftung  ist es deshalb, Handwerker-Lehrlinge der Betriebe in Ob- und Nidwalden, die eine gute Lehre abschliessen, mit Geldpreisen zu belohnen. In den letzten acht Jahren hat die Stiftung bereits rund 1,2 Mio. Franken an Jugendliche aus den beiden Kantonen ausgeschüttet.

elipsLife mit Brigitte Breisacher im Interview

Welche Ingredienzen gehören aus Ihrer Sicht zu erfolgreichem Unternehmertum?

Vieles steht und fällt mit der Führung, mit der gelebten Vorbildfunktion. Ich kann nur so viel von meinen Mitarbeitenden verlangen, wie ich selbst einzubringen bereit und fähig bin. Erfolgreiches Führen heisst für mich, Mitarbeitende einzubinden, ihnen Verantwortung zu übertragen und eine Vertrauensbasis zu ihnen aufzubauen. Damit sind wir bei der wichtigsten Ingredienz: den Mitarbeitenden. Die Produkte sind sich heute immer ähnlicher. Von der Konkurrenz abheben tun wir uns vor allem durch Beratung, Betreuung, Produktequalität und erstklassige Serviceleistungen. Dafür braucht es kompetente Mitarbeitende mit dem nötigen inneren Feuer. Sie machen den Unterschied aus. Klar braucht es zum Erfolg auch Glück oder das richtige wirtschaftliche Umfeld. Aber da können wir nicht viel beeinflussen. Deshalb müssen wir uns auf die Aspekte konzentrieren, auf die wir im Unternehmen direkt Einfluss nehmen können. 

Die alpnach norm-Gruppe beschäftigt rund 200 Mitarbeitende. Spielt das Thema Vorsorge bei Neuanstellungen eine Rolle?

Nein, bislang ist das bei uns absolut kein Thema. Im Rahmen des Anstellungsprozesses treffe ich jeden neuen Mitarbeitenden persönlich, um ihr oder ihm die Unternehmenswerte aufzuzeigen. Vorsorgeleistungen sind aber noch nie zur Sprache gekommen.

Brigitte Breisacher - Sicht zu erfolgreichem Unternehmertum

Die Schweiz hat ein gut entwickeltes Altersvorsorgesystem, das mit den drei Säulen die staatliche und private Vorsorge kombiniert. Wird sich dieses 3-Säulen-System auch in Zukunft behaupten?

Ich wünsche es mir sehr. Würde es das 3-Säulen-System nicht mehr geben, wäre das für unsere Jugend – immerhin das Fundament unserer Zukunft – eine Katastrophe. Ich hoffe, dass die Politiker, auf welcher Ebene und in welchen Gremien auch immer, die aktuelle Entwicklung mit gesundem Menschenverstand verfolgen und das System rechtzeitig so modifizieren, dass es auch in 100 Jahren noch funktioniert. Die Politik ist gefordert, sie muss handeln.  

Um die Fragen rund um die Altersvorsorge oder die AVG-Revision 2020 zu verstehen, muss man sich damit auseinandersetzen, es braucht Kommunikation. Ist das in Ihrem Unternehmen ein Thema?

Im Moment ist das Thema noch zu weit weg. Wir konzentrieren uns auf eine frühzeitige Information von Mitarbeitenden im Alter zwischen 56 und 58. In diesen Gesprächen werden die Möglichkeiten bezüglich Pensionskasse angesprochen. Weil alpnach norm ihre Pensionskasse bei Swiss Life hat, werden in diesen Mitarbeitergesprächen auch die Koordinaten der Spezialisten vermittelt, die sich bei Swiss Life um uns kümmern. Unsere Mitarbeitenden erhalten so frühzeitig die Gelegenheit, sich mit PK-Spezialisten über Änderungen, Trends und Empfehlungen zu informieren.

Sollen aus Ihrer Sicht die Rentenbezüger an der Sanierung des Vorsorgesystems beteiligt werden – oder sind einmal erworbene Rentenansprüche tabu?

Das ist eine schwierige Frage und zweifellos ein heikles Thema. Eigentlich besteht der Anspruch, alles, was Beitragszahlende über die Jahre einbezahlt haben, ausbezahlt zu bekommen. In Zukunft wird das aber kaum mehr möglich sein. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, wenn sich ein Frustpotenzial aufzubauen droht. Endlose Diskussionen machen die Situation jedoch nicht besser. Früher oder später wird es ein Machtwort brauchen, eine politische Mehrheitsentscheidung. Es kann ohnehin nicht allen recht getan werden.

Gewerkschaften und Linksparteien wollen die AHV auf Kosten der PKs und der privaten Vorsorge stärken. Ist das der richtige Weg?

Nein, das kann und darf nicht die Lösung sein. Die zweite und dritte Säule sind sehr individuell und müssen aus meiner Sicht in der heutigen Form beibehalten werden. Ich stehe nicht hinter dem  Vorschlag, die AHV auf Kosten der beiden anderen Säulen zu stärken.

Brigitte Breisacher - bei der elipsLife Versicherungsgesellschaft

Die PKs stecken in stürmischen Zeiten, vor allem wegen der Überalterung und den tiefen Zinsen. Werden sie – und damit wir alle – Opfer von nicht finanzierbaren Leistungsversprechen?

Ja, es könnte sich tatsächlich so entwickeln. Ich stelle mir aber eine andere Frage: Wo versickert bei den Pensionskassen der Zinsunterschied? Sie legen ihr Anlagevermögen in Aktien, Obligationen und Immobilien an. Bei den Immobilienanlagen beispielsweise streben sie nach Nettorenditen von 4 bis 5%. Die Pensionskassenguthaben werden aktuell allerdings nur zu 2,25% verzinst. Die PKs haben offensichtlich einen grossen Apparat zu finanzieren. Es kann aber nicht sein, dass Anlagegewinne in  grosse Jahresgewinne oder in die Finanzierung aufgeblähter Strukturen fliessen. Bevor es zu einem Abbau der Leistungen kommt, müssen zuerst die Verwaltungskosten massiv gesenkt werden. Die erwirtschafteten Gelder sind vollumfänglich zu Gunsten der Versicherten einzusetzen.

Wie stehen Sie zur geplanten Erhöhung des Rentenalters für Frauen auf 65?

Damit habe ich überhaupt kein Problem, ich finde die Erhöhung richtig. Persönlich gehe ich davon aus, bis 70 arbeiten zu müssen. Für Menschen jedoch, die körperlich anstrengende Arbeiten verrichten müssen, ich denke da zum Beispiel an unsere Schreiner-Monteure, sollte das generelle Rentenalter nicht erhöht werden.

Wenn Sie den Pensionskassen einen Rat geben könnten, wie würde dieser lauten?

Sie sollten bei sich eine „Lean-Philosophie“ einführen: Prozesse standardisieren, Leerläufe abbauen und die Produktivität erhöhen. Anstatt übertriebene Bürokratie zu finanzieren, sollten die Kosten gesenkt werden. Damit stünde mehr Geld für die eigentlichen Vorsorgeleistungen zur Verfügung. Zudem sollten sie den gesunden Menschenverstand  gebrauchen, wenn es um die Änderungen der Vorsorgesysteme geht und nicht den eigenen Interessen und Bedürfnissen nachleben. Und was nie vergessen werden darf: Es geht nicht um das Geld der Pensionskassen, sondern um jenes der Versicherten. 

Zur Person
Brigitte Breisacher
Unternehmensleiterin und Inhaberin der alpnach norm-Holding AG

Brigitte Breisacher, 1968, aus Maur bei Zürich, ist die Tochter von Theo Breisacher, dem Gründer von alpnach norm. Mit einer kaufmännischen Lehre als Grundlage liess sie sich später zur eidg. dipl. Marketingplanerin ausbilden, besuchte das Management Seminar der Universität St. Gallen und absolvierte eine Ausbildung am Institut für Finanzdienstleistung in Zug. Brigitte Breisacher trat 1987 in die Alpnach Norm-Schrankelemente AG ein und übernahm sogleich die Leitung des Rechnungswesens, des Personalwesens sowie des Marketings. 1995 wurde sie Mitglied des Verwaltungsrats und im Jahr 2000 CEO und Unternehmensleiterin der Alpnach-Gruppe. Seit 2008 ist sie Inhaberin und Unternehmensleiterin der alpnach norm-Holding.

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