elipsLife echo-Interview mit Josef Schüpfer
echo-interview, Januar 2014

Ohne Spekulation ist der technische Zinssatz nicht machbar

ELIPSLIFE ECHO - EINE GESPRÄCHSSERIE MIT PERSÖNLICHKEITEN AUS DER WIRTSCHAFT

Ohne Spekulation ist der technische Zinssatz nicht machbar

echo-Interview mit Josef Schüpfer, Präsident des Wirteverbandes Basel-Stadt und Vorstandsmitglied der GastroSuisse

elipsLife echo: Herr Schüpfer, ist das Wort «Pensionskasse» für Sie als erfolgreicher Unternehmer in einer Branche mit extrem hoher Fluktuation und entsprechend grossem Administrationsaufwand nicht ein Reizwort?

Josef Schüpfer: Nein, auf keinen Fall. Als Unternehmer liegt mir viel daran, dass meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut versichert sind und über eine Einnahmequelle verfügen, wenn sie aus dem Berufsleben ausscheiden. Wir haben bei GastroSuisse eine vorbildliche Pensionskasse. Erwähnen möchte ich den Grundsatz des Einheitssatzes für alle Versicherten, ob Mann oder Frau. Oder die Diskriminierung in Bezug auf das Alter, die wir abgeschafft haben. Für alle gilt der gleiche Satz von 14 Prozent, Arbeitgeber und Arbeitnehmer bezahlen je 7 Prozent. Ein Zeichen, dass für uns alle Arbeitnehmer gleich interessant sind, ob jung oder alt. Weil ältere Mitarbeiter in der Regel mehr Berufserfahrung mitbringen, sind sie für Wirte dank der abgeschafften Diskriminierung oft sogar attraktiver. Die Pensionskasse der Gastro-Suisse bietet als einzige ein solches Modell an. Zudem haben wir von Anfang an dafür gesorgt, dass ein Jobwechsel innerhalb der Branche nicht erschwert wird. Weil im Gastgewerbe Wanderjahre zu einer guten Ausbildung gehören, müssen Stellenwechsel einfach sein. Entsprechend unkompliziert ist die PK-Administration ausgelegt.

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Das gilt ohne Unterschiede für die Dorfbeiz, GastroKetten und das Luxushotel?

Ja, für alle unsere Mitglieder gelten die gleichen Grundsätze. Wenn ein Betrieb eine Sonderregelung will, zum Beispiel für die Bel Etage, dann müssen diese speziellen Regelungen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelten. Die Pensionskasse der GastroSuisse steht finanziell übrigens sehr gut da, selbst während der Finanzkrise hatten wir nie Probleme. Heute sind rund 140 000 Personen bei uns versichert, der Deckungsgrad beträgt 110 Prozent und wir verwalten ein Kapital von rund 5 Milliarden CHF. Ich bin stolz auf dieses soziale Werk.

Stichwort Gastro-Ketten: Sie führen in Basel mit dem Stadthof und der Walliser Kanne zwei enommierte Häuser sehr erfolgreich. Gleichzeitig dringen Gastro-Ketten immer mehr in den Markt vor, auch in Basel. Haben langfristig «Einzelwirte» eine Überlebenschance?

Eine Gegenfrage: Haben Fastfood-Ketten eine Zukunft? Ja, logisch. Sie bieten Agrarschrott an und dafür gibt es auch zukünftig einen Markt. Aber, hier reden wir von reiner Zweckverpflegung. Das hat nichts mit Essen und Trinken zu tun, wie ich es definiere. Und deshalb bin ich überzeugt: Qualitätsbewusste Wirte haben eine Zukunft. Sie bieten Mittel zum Leben an – das wird immer gefragt sein. Im Moment haben die Kettenbetriebe enormen Erfolg. Dies vor allem deshalb, weil sie einen Teil der Produktion auslagern. So wird zum Beispiel die Herstellung der Salatsaucen, der Bratensaucen oder von Ravioli an Dritte vergeben. Damit wird aber auch ein Teil der Kompetenz ausgelagert, in der Küche haben sie keine richtigen Köche mehr, sondern nur noch Leute, die etwas fertig stellen. In einer Kette mag die Rendite dank tiefer Personalkosten stimmen. Und die Qualität der Produkte ist nicht einmal zwangsläufig schlecht, aber je mehr es von diesen Betrieben gibt, desto mehr bekommt der Gast immer das Gleiche vorgesetzt. Dadurch entsteht Langeweile. Traditionelle Individualbetriebe haben auch deshalb eine Zukunft, weil sie nicht austauschbar sind. Geranten von Gastro-Ketten kommen und gehen, traditionelle Wirte aber bleiben.

Ein Zeitungsartikel wurde 2012 mit dem Titel «Josef Schüpfer hat die Gastro-Szene extrem gewandelt» überschrieben. Was haben Sie so extrem geändert?

Dieser Titel sprach mich als Präsident des Wirteverbands Basel-Stadt an. Es ging um die Liberalisierung des Marktes. Früher wurde pro bestimmte Anzahl Einwohner ein Restaurationsbetrieb bewilligt. Das war völliger Blödsinn. In Zusammenarbeit mit der Basler Regierung habe ich mich zudem dafür eingesetzt, die Bevorzugung der damaligen Nachtbetriebe abzuschaffen. Liberalisierung bedeutet freier Markt, bedeutet Wohlstand für alle. Die besten Ideen setzen sich durch. Gibt es Konkurrenz, muss ich mich immer wieder fragen, was sich lohnt und was nicht. Lohnt es sich beispielsweise, mit meinen Mitarbeitern gut umzugehen und in ihre Ausbildung zu investieren? Ich glaube fest daran, ich habe Mitarbeiter, die bereits über 35 Jahre bei mir sind.

Vor welchen Herausforderungen steht die Gastro-Branche heute?

Ich sehe vor allem zwei: Erstens müssen wir Lebensfreude vermitteln und zweitens sind wir ein teurer Produktionsstandort. An den Löhnen möchte ich nicht rütteln. Ich will meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Lohn zahlen, der ihnen ein Auskommen sichert, ohne dass sie auf Sozialhilfe angewiesen sind. Gleichzeitig erwarte ich aber von meinen Angestellten auch Leistung und Freude am Beruf. Nicht beeinflussen kann ich hingegen das Umfeld, beispielsweise die überhöhten Agrarpreise in der Schweiz. Die Bauern sollten nicht den Markt abschotten, sondern den Anspruch haben, Qualität anzubieten – statt bloss auf die Subventionen zu schauen. Wenn wir den Agrarmarkt öffnen, wird das zu einer Qualitätssteigerung führen, da nur noch die besten Produkte im Markt eine Chance haben. Das sieht man beim Wein und auch der liberalisierte Käsehandel ist ein gutes Beispiel: Es wurde noch nie so viel Schweizer Käse exportiert wie seit der Liberalisierung.

Und was braucht das Gastgewerbe mit Blick in die Zukunft?

Einen liberalisierten Markt, eine Marktöffnung für Agrarprodukte. Zudem müssen die «Schweiz-Zuschläge» weg. Nehmen wir das Beispiel Coca-Cola: Als Coca-Cola HBC mit damaligem Sitz in Griechenland den Vertrieb in der Schweiz übernahm, wurden die Konditionen verändert und die Preise nach oben getrieben. Bis uns der Kragen platzte und wir mit Parallelimporten anfingen. Heute bezieht der Wirteverband Coca-Cola aus Deutschland und stellt dieses interessierten Wirten zu einem wesentlich tieferen Preis in den Keller. Doch der Einkauf im Ausland ist mühsam und er wird behindert. Deshalb bin ich der Meinung, dass das Kartellgesetz verschärft werden muss.

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Welches sind aus Ihrer Sicht die Ingredienzen unternehmerischen Erfolgs?

Es braucht Freude und den unbedingten Glauben an eine Sache. Ein Unternehmer muss bereit sein, Widerstände in Kauf zu nehmen, wie am Beispiel von Coca-Cola geschildert. Das Wichtigste aber sind motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wenn man nicht die richtigen Leute um sich hat, kann man den unternehmerischen Erfolg vergessen.

Wie stellen Sie sicher, dass Sie als Gastgeber die Bedürfnisse und Wünsche Ihrer Kunden erkennen?

In erster Linie durch den täglichen Kontakt. Ich bin so oft wie möglich in meinen Betrieben. Zudem gehe ich jeder Reklamation persönlich nach und versuche, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Wichtig sind für mich ferner die Ideen und Vorschläge meiner Mitarbeiter. Sie sind Experten auf ihrem Gebiet und ich belohne jeden realisierten Verbesserungsvorschlag.

… und im Wirteverband bzw. im Vorstand von GastroSuisse die Anliegen und Sorgen der Basis?

Auch hier geschieht viel über Kontakte. In der Regel treten Wirte mit einem Anliegen an uns heran. Wie erwähnt, verfügen wir im Verband über eine hervorragende Vorsorgelösung, in anderen Versicherungsbereichen sieht es weniger gut aus. Da versuchen wir nun neue Dienstleistungen anzubieten. Die Leistungen der GastroSuisse sollen die Wirte überzeugen. So ist unser Angebot im Sozialversicherungsbereich aus meiner Sicht einer der wichtigsten Gründe, weshalb Wirte zur GastroSuisse kommen.

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Das Gastgewerbe schafft viele Arbeitsplätze, ist aber eine Tieflohnbranche. Welchen Stellenwert hat hier die berufliche Vorsorge?

Ich wehre mich dagegen, das Gastgewerbe pauschal als Tieflohnbranche zu bezeichnen. Das ist falsch. Im Vergleich zum Ausland sind wir auch im Gastgewerbe ein Hochlohnland. Wie in anderen Branchen, hängt auch bei uns der Lohn von der Ausbildung ab. Wer eine gute Ausbildung hat und Leistung bringt, kann gut verdienen. Die Ausbildungsfrage ist mir sehr wichtig und ich möchte betonen, dass wir im Gastgewerbe die zweithöchsten Lehrlingslöhne bezahlen. Aber zu Ihrer Frage: Der Stellenwert der beruflichen Vorsorge ist sehr hoch. GastroSocial, die Pensionskasse der Gastro-Suisse, gehört zu den Kassen mit den tiefsten Kosten und den tiefsten Beitragssätzen. Ein Problem sehe ich allerdings bei der Möglichkeit des Kapitalbezugs. Hier sollte es eine Limite geben, weil viele Leute mit einem Kapitalbezug nicht richtig umgehen können und unter Umständen ihre Rente aufs Spiel setzen.

Was empfehlen Sie den vielen Teilzeitangestellten, Saisonniers und Aushilfen in der Gastro-Branche, wie sie am besten für ihr Alter vorsorgen?

Wichtig ist eine Lösung für Leute, die in mehreren Betrieben gleichzeitig arbeiten und deshalb unter die Beitragsgrenze fallen. Hier muss der Bund Lösungen erarbeiten. Wir beschäftigen im Gastgewerbe tatsächlich viele Aushilfskräfte. Wir können so die saisonbedingten Schwankungen meistern. Die Motive der Aushilfen sind indessen sehr unterschiedlich: Die einen wollen hin und wieder einfach unter die Leute kommen, andere suchen einen Verdienst, um ein finanzielles Bedürfnis zu decken. Wir haben auch sehr viele Studenten, die während den Semesterferien einen Verdienst erzielen wollen. Deren Perspektive ist sehr kurzfristig und Vorsorgefragen stehen da weit im Hintergrund.

Sie sitzen im Stiftungsrat der Pensionskasse von Gastro-Suisse und kennen die Vorsorgeproblematik somit auch von der institutionellen Seite: Wo liegen da aktuell die grössten Herausforderungen?

Erstens müssen wir das uns anvertraute Kapital verzinsen, da wir sonst die Leistungen nicht erbringen können. Bei den heutigen, tiefen Zinssätzen bleibt uns aber nichts anderes übrig als zu spekulieren, um überhaupt den technischen Zinssatz zu erreichen. Zweitens die Invaliditätsproblematik. Es gibt immer mehr Fälle von psychischen Erkrankungen, die nicht einfach zu beurteilen sind. Als Pensionskasse müssen wir uns genau überlegen, wie wir uns da verhalten sollen. Der wachsende Rückstellungsbedarf wegen der neuen Rechnungslegungsvorschriften dürfte sich ebenfalls zu einer Herausforderung auswachsen, aber das kommt erst noch auf uns zu.

Welche Entwicklung erwarten Sie für die kommenden 3 bis 5 Jahre im BVG-Bereich?

Wir haben in der Schweiz das 3-Säulen-Prinzip. Ich vermute, dass die sogenannte Pflicht-Vorsorge noch besser wird. Bei der AHV steht die Gleichstellung von Mann und Frau an. Damit aber vor allem die 1. Säule noch finanzierbar bleibt, muss die Altersgrenze diskutiert werden. Aus meiner Sicht führt kein Weg an der Erhöhung des Rentenalters für Männer und Frauen vorbei. Gleichzeitig befürworte ich eine Flexibilisierung der Altersgrenzen. Jemand mit einem kleineren Rentenbedarf muss früher aufhören können als jemand, der länger arbeiten will oder aus welchen Gründen auch immer muss. Ich sehe durchaus auch die Möglichkeit von Branchenlösungen. Ein Bauarbeiter steht beispielsweise in einem ganz anderen Umfeld als ein Büroangestellter. Ein grosses Problem sehe ich in der Zunahme der Invalidenrenten.

Wenn Sie den Pensionskassen in der Schweiz einen Rat geben könnten, wie würde dieser lauten?

Um agieren zu können und die Kosten im Griff zu behalten, muss eine Pensionskasse eine vernünftige Grösse haben. Die Grossindustrie hat das perfekt gelöst, kleinere Betriebe müssen hingegen genau schauen, ob es sich lohnt, eigene Lösungen zu suchen oder ob eine Zusammenarbeit mit einem Partner nicht besser wäre. Branchenlösungen wie bei Gastro-Suisse sind eine gute Möglichkeit, um die Frage der Grösse zu lösen. Ausserdem erachte ich es als problematisch, wenn ein Betrieb mit eigener Pensionskasse Mittel dieser Pensionskasse in das eigene Unternehmen investieren darf. Auch hier hat die Grossindustrie das Problem gelöst. Aber es darf nicht sein, dass bei den KMUs die Pensionskassen in die eigenen Betriebe investieren. Das Risiko ist schlicht zu gross.

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Zur Person
Josef Schüpfer
Präsident des Wirteverbandes Basel-Stadt und Vorstandsmitglied der GastroSuisse

Josef Schüpfer ist 1952 geboren. Der gelernte Hotelier ist seit seinem 26. Altersjahr selbständig im Gastgewerbe und in der Immobilienbranche tätig. Bei GastroSuisse nimmt er im Stiftungsrat und im Anlageausschuss Führungsverantwortung wahr. Zudem ist er im Mitgliederrat der CSS Versicherungen, im Vorstand von GastroSuisse und des Gewerbeverbands Basel-Stadt sowie Präsident des Wirteverbands Basel-Stadt. Josef Schüpfer ist auch Verwaltungsrat der Hostatt Immobilien AG, der Felicitas Immobilien AG, der Walliserkanne AG Liegenschaften sowie der Walliserkanne Betriebs AG.