Interview mit Volker Nürnberg, Oktober 2021

Mentale Gesundheit wird für Betriebe immer wichtiger

Herr Prof. Dr. Nürnberg, was ist der Welttag der seelischen Gesundheit, der am 10.10. datiert ist?
Volker Nürnberg: Der Welttag wird nächstes Jahr zum 30. Mal begangen, er wurde von mehreren internationalen Initiativen begründet, u.a. der Weltgesundheitsorganisation, der WHO. In der Schweiz gibt es in den Kantonen verschiedenste Aktivitäten, zum Beispiel auch der verschiedenen, regionalen Bündnisse gegen Depression. In Deutschland haben Krankenkassen, Arbeitgeber und Leistungserbringer das Thema auf dem Schirm und es gibt auch schon digitale Angebote dazu. Dies ist der wichtigste Tag im Jahr zum Thema „Mental Health“ in Deutschland und der Schweiz.

Die stellt sich die mentale Gesundheit in der Schweiz, Deutschland und Österreich dar?
Die psychischen Erkrankungen sind natürlich kein rein schweizerisches oder deutsches Phänomen, es ist in allen Industrienation ein Problem. Knapp 20% der Fehltage in der Schweiz gehen auf psychomentale Erkrankungen zurück. In Österreich dauert eine psychische Erkrankung durchschnittlich rund 35 Tage, in Deutschland meist noch länger.  

Das klingt nicht so dramatisch, allerdings gibt es eine erhebliche Dunkelziffer: Viele, insb. Männer gehen erst gar nicht zu einem Arzt oder Therapeuten. Aber selbst, wenn sie dort sind, wird die Krankheit oft anders umrissen, da es ein besonderes Tabuthema ist. Viele Muskel- und Skeletterkrankungen sind psychosomatisch bedingt, auch Haut- und Magenerkrankungen können mentale Ursachen haben. So kann man de facto, nach Berechnungen, die ich für elipsLife erstellt habe, mit der real doppelten Höhe psychisch bedingter Fehltage rechnen.

Woran liegt der dramatische Anstieg der psychischen Erkrankungen?
Die Ursachen sind vielfältig. Manchmal sind es genetische oder familiäre Dispositionen. Meistens gibt es aber nicht „die“ Ursache. Es ist oftmals eine Wechselwirkung aus beruflichen und privaten Faktoren. Stress im Beruf, Probleme in der Beziehung und das gleichzeitig können bis hin zu Depressionen führen. Die Pandemie, die damit verbundene Unsicherheit, aber auch die Rahmenbedingungen der volatilen Vuca Welt, sind bei den Ursachen zu nennen. Das heisst, die immer schnelleren Change Prozesse in der Wirtschaft, schneller wechselnde Führungskräfte, Hard- und Software, bei dem Tempo kommt nicht jeder mit.

Was sind die Folgen?
Psychische Erkrankungen sind inzwischen in der Schweiz und Österreich die Hauptursache für frühzeitige Berufsunfähigkeit. Und auch in Deutschland sind es mit 37% Psyche/Nervenerkrankungen die häufigste Ursache dafür, dass jemand das Rentenalter nicht erreicht. Angesichts des dramatischen demographischen Wandels und des ökonomischen Drucks auf den Säulen der Altersversorgung, ist der Handlungsbedarf dringend. 

Was gibt es zu tun?
Man muss insbesondere frühzeitig und vorsorglich ansetzen. Deshalb arbeite ich in Deutschland, Österreich und der Schweiz exklusiv mit elipsLife zusammen, da elipsLife Arbeitgeber und Führungskräfte mit verschiedensten Angeboten unterstützt, die Resilienz ihrer Belegschaft zu verbessern. In Österreich sagen beispielsweise 65% der Menschen, dass sie sich eine Behandlung einer psychischen Erkrankung nicht leisten könnten. Das spricht für eine Absicherung, wie elipsLife sie bietet. Sie setzen mit ganzheitlichen Care Management auf die präventive Steuerung von Menschen im Beruf, denen Probleme drohen. Reintegration, Anwesenheitsmanagement und zielgerichtete Maßnahmen bilden ein nachhaltiges Gesundheitsmanagement. Dies ist eine Win-Win-Situation für Arbeitnehmer und Unternehmen.

Was wird die Zukunft bringen?
Der 10.10. reicht natürlich nicht aus. Es müssen ganzjährige Aktivitäten her. Am wichtigsten scheint mir, dass das Thema enttabuisiert und proaktiv in den Unternehmen angesprochen wird. Prominente Schweizer Fälle wie das Nationalratsmitglied Natalie Rickli, Tina Umbricht oder der Rapper Andres Andrekson (Stress) sind noch zu wenige Outings. In vielen Bereichen ist das Thema immer noch ein Tabu. In Deutschland ist Sven Hannawald als ehemals Betroffener nun Psyche Botschafter der Bundesregierung. Das muss sich ändern, will man nachhaltige Präventionsangebote bei denen platzieren, die es brauchen.

Picture showing Volker Nürnberg
Zur Person
Professor Dr. Volker Nürnberg
Prof. Dr. Volker Nürnberg ist Partner bei BDO und lehrt an verschiedenen Hochschulen, u.a. Hochschule Allensbach und TU München.

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