Markus Lehmann
echo-Interview, Juli 2019

Broker sind die wichtigsten Konsumentenschützer

ELIPSLIFE ECHO - EINE GESPRÄCHSSERIE MIT PERSÖNLICHKEITEN AUS DER WIRTSCHAFT

echo-Interview mit Markus Lehmann

Markus Lehmann, Präsident Verband Schweizerischer Versicherungsbroker, SIBA

elipsLife echo: Herr Lehmann, wie viele Versicherungsbroker gibt es in der Schweiz?
Markus Lehmann: Im Register der Finma sind per Mai 2019 genau 17‘050 Versicherungsbroker eingetragen, nämlich 2‘050 juristische und 15‘000 natürliche Personen. Von den 17‘050 Versicherungsvermittlern sind 9‘375 gebunden, stehen also im Dienst einer Versicherungsgesellschaft. 7‘675 sind ungebunden, also klassische Versicherungsbroker. 

Wie viele davon sind im Verband Schweizerischer Versicherungsbroker SIBA? 
Aktuell gehören 85 Firmen unserem Verband an. Diese vertreten für ihre Kunden gegen 10 Mrd. Franken Prämienvolumen. Damit betreut die SIBA knapp einen Viertel des gesamten Marktvolumens. 

Der Pensionskassenverband ASIP will Vermittler-Provisionen in der 2. Säule verbieten lassen. Arbeitgeber sollen die Broker bezahlen und nicht mehr die Pensionskassen. Der Bundesrat scheint dem Ansinnen zu folgen. Beide begründen den geforderten Systemwechsel mit Fehlanreizen und möglichen Interessenkonflikten. Wie sehen Sie das? 
Wir sehen das ganz anders. Die Begründungen für diese Forderungen sind falsch. Der Bundesrat hat im Rahmen der Beantwortung einer Interpellation denn auch eher vorsichtig Stellung bezogen und will die Frage des Courtagen-Verbotes noch genauer prüfen. Das wird er bei der anstehenden Gesamtrevision der beruflichen Vorsorge (BVG) tun. Spätestens dann wird sich zeigen, dass die Probleme der beruflichen Vorsorge in der Schweiz nicht bei der Art und Weise der Bezahlung der Dienstleister liegen, sondern ganz anderswo.   

Wo denn? 
Über 1000 Milliarden Franken sind heute wegen der äusserst schwierigen Märkte nicht zinsbringend angelegt. Ausserdem führt der viel zu hohe Umwandlungssatz zusammen mit dem zu hohen Mindestzinssatz zu einer Umverteilung von Jung zu Alt. Jährlich werden zwischen 4 und 7 Milliarden umverteilt, was im BVG so nicht vorgesehen war. Das sind die echten Probleme im BVG und nicht die Courtagen an die Broker.

Markus Lehmann

Was leisten Broker eigentlich, um ihre Courtagen zu verdienen?
Die Schweiz hat heute einen liberalen Pensionskassenmarkt und die Broker sind in erster Linie für die Beratung der KMU zuständig. Notwendig ist diese Beratung, weil die Komplexität der verschiedenen BVG-Produkte sehr hoch ist. Ein Broker macht fünf, zehn oder auf Wunsch noch mehr Vergleiche zwischen den Produkten von Versicherungen, Pensionskassen oder Sammelstiftungen. Das zwingt alle Anbieter dazu, konkurrenzfähig zu bleiben, was sich wiederum auf die Prämienhöhe auswirkt und für die KMU einen Mehrwert schafft. In diesem Sinn sind die Broker die wichtigsten Konsumentenschützer im Assekuranzbereich.

Also würde ein Courtagen-Verbot letztlich die Versicherten treffen? 
Mit der heutigen Regelung sind alle zufrieden: KMU und Versicherte haben tiefe Prämien, Broker erhalten Courtagen und die Versicherungen haben das Geschäft. Das System funktioniert und soll jetzt per Gesetz abgeschafft werden? Das macht doch keinen Sinn. Der Brokerverband hat sich zur Transparenz verpflichtet. Die Interessenkonflikte, die laut ASIP bestehen sollen, gibt es schlichtweg nicht. Der Markt kontrolliert sich selbst. Empfehle ich einem KMU eine Pensionskasse aufgrund einer besseren Entschädigung, merkt das mein Kunde früher oder später. Und dann bin ich weg vom Fenster. Wer als Broker nicht für seinen Kunden arbeitet, hat im Markt keine Chance, der Konkurrenzkampf ist knallhart.   

Es gibt Länder, in denen Courtagen verboten sind. Welche Erfahrungen hat man dort gemacht? 
Das Beispiel England zeigt, was passiert, wenn diese Entschädigung gestrichen wird. Nachdem dort die Courtage verboten wurde, brach Chaos aus. Es gab keine Beratung mehr und die Prämien stiegen stark an. Ich glaube kaum, dass wir das in einem liberalen Markt wollen.    

Die SIBA ist der Transparenz verpflichtet, wie sieht es bei den anderen Brokern aus?
Schwarze Schafe gibt es leider in allen Branchen, auch in der Versicherungsbranche, das kann man nicht wegdiskutieren. SIBA-Broker unterliegen strengen Bedingungen. Deshalb wollen wir das Gütesiegel SIBA stärken und Versicherern und Pensionskassen empfehlen, primär mit Brokern zusammenzuarbeiten, die unserem Verband angehören. Unseriöse Feld-, Wald- und Wiesenbroker schaden der ganzen Branche.

Markus Lehmann

Gemäss einer Studie sollen im BVG-Bereich jährlich gegen 300 Millionen Franken Provisionen an Broker bezahlt werden. Kommt die SIBA auf die gleiche Zahl?
Rund 160 Mio. Franken werden, gemäss öffentlicher Statistik als Entschädigung an Broker bezahlt, 90 Mio. an Vermittler der Versicherungsgesellschaften und 40 Mio. an Pensionskassen, die auch einen Aussendienst und daher Akquisitionskosten haben. Würde man die Courtagen verbieten, müssten Versicherungsgesellschaften und Pensionskassen den ganzen Verkaufs-Apparat rauffahren. 300 Mio. Franken würden dafür bei weitem nicht reichen, die Mehrkosten gingen klar zu Lasten der Versicherten.    

Warum wird nur im Zusammenhang mit den Pensionskassen ein Courtagen-Verbot gefordert, nicht aber z.B. für die Hausratversicherung? 
Weil bei diesen Versicherungen die Courtage genau geregelt ist und der Wettbewerb trotzdem funktioniert. Broker erhalten von jeder dem Versicherungsverband angeschlossenen Gesellschaft eine definierte Courtage für eine Hausrat-, eine Betriebshaftpflicht- oder eine Maschinenversicherung.    

Liesse sich das im Pensionskassenbereich nicht auch so machen? 
Doch, das wäre zum Beispiel eine Aufgabe für den ASIP, anstatt Courtagen verbieten zu wollen. Bei dieser Gelegenheit muss ich festhalten, dass sich der ASIP in Sachen Courtagen-Verbot nicht einig ist. Mir scheint der Vorstoss vielmehr ein wenig durchdachter Alleingang der Verbandsführung zu sein.    

Mit der Annahme der AHV-Steuer-Vorlage (Staf) erhält die AHV eine Finanzspritze von 2 Milliarden Franken, die strukturellen Probleme aber bleiben. Wo setzen Sie bei den weiteren AHV-Reformen die Prioritäten? 
Grundsätzlich haben wir ein Demografie- und ein Finanzierungsproblem. Der Arbeitgeberverband hat kürzlich die Entwicklung nach der Staf-Annahme aufgezeigt: Die neuen Geldspritzen werden keine 10 Jahre wirken, dann folgt bereits der nächste grosse Finanzierungsbedarf. Wenn wir verhindern wollen, dass zur Finanzierung der AHV die Mehrwertsteuer um 5 oder 6 Prozent erhöht werden muss, sind die Leistungen zurückzufahren. Das will aber niemand, wie auch niemand das Rentenalter erhöhen will. Deshalb sind alle Bemühungen in den letzten Jahren gescheitert.   

Auch die 2. Säule hat Reformbedarf. Welches sind aus Ihrer Sicht die grössten Herausforderungen im BVG? 
Der Umwandlungssatz und das Rentenalter. Es müssten Anreize geschaffen werden, dass jene, die können und wollen, länger arbeiten. Daneben sind die Anlagevorschriften zu lockern, damit wieder vernünftige Renditen erreicht werden können. Will man längerfristig einen Umwandlungssatz von 5% gewähren, müssen die Anlagen eine bessere Rendite erzielen.    

Sollen die Rentenbezüger an der Sanierung des Vorsorgesystems beteiligt werden? 
Grundsätzlich haben die Rentenbezüger für die Leistungen und das Versprechen bezahlt. Ihnen die Leistungen zu kürzen ist für mich persönlich ein Tabu.    

Wie stehen Sie zum Rentenalter 65 für Frauen? 
Sofort einführen. Meiner Meinung nach sollte das Rentenalter für Männer und Frauen auf 67 erhöht werden. Das natürlich nur für jene, die gesund sind, zwischen den einzelnen Berufen mit ihren unterschiedlichen Belastungen gälte es zu unterscheiden. Ich kenne zahlreiche Leute, die mit 70 noch voll arbeiten – die Flexibilisierung des Rentenalters ist ein zentrales Anliegen.

Wo sehen Sie das Rentenalter in zehn Jahren? 
Irgendwann werden alle begriffen haben, dass es so nicht weitergehen kann. Sollen die Leistungen auf dem heutigen Stand bleiben, werden wir dann das Rentenalter 67 für alle haben.   

Sollte die 3. Säule vom Staat mehr gefördert werden, um 1. und 2. Säule zu entlasten?
Diese Förderung haben wir bereits, aber ich könnte mir durchaus vorstellen, dass die steuerfreien Beträge etwas angehoben würden, um die 3. Säule noch attraktiver zu machen. Ich finde es grundsätzlich richtig, selber für das Alter vorzusorgen – auf allen verfügbaren Schienen.    

Wenn Sie den Pensionskassen einen Rat geben könnten, wie würde er lauten? 
Sie sollten flexible Leistungspläne erarbeiten, die Kosten minimieren und intensiv mit SIBA-Brokern zusammenarbeiten. 

Hinweis: Die hier gemachten Aussagen geben die Einschätzung der Interviewpartner wider und entsprechen nicht der Meinung von elipsLife.

Markus Lehmann
Zur Person
Markus Lehmann
Präsident Verband Schweizerischer Versicherungsbroker, SIBA

Markus Lehmann, 1955, Basel, blickt auf eine lange berufliche Laufbahn in der Versicherungswirtschaft zurück. Angefangen bei der Winterthur, über Elvia und Inhouse-Broker Basel-Stadt waren die Geschäftsführung der Rimas AG und der Regionaldirektor Nordwestschweiz der National Versicherung die nächsten Schritte seines Werdegangs. Seit Januar 2018 ist Lehmann Geschäftsleitungsmitglied der Balrisk AG. Auch in der Politik war der ehemalige Spitzenhandballer - 82 Länderspiele für die Schweiz - aktiv: Von 1996 bis 2005 und von 2009 bis 2013 gehörte der CVP-Mann dem Basler Grossrat an, wobei er diesem 2011/12 als Grossratspräsident vorstand. Von 2001 bis 2013 war er zudem Präsident der CVP Basel-Stadt. Lehmann vertrat von 2011 bis 2015 den Kanton Basel-Stadt als Nationalrat in Bern und wirkte in mehreren Kommissionen mit. Er ist verheiratet und Vater zwei erwachsener Töchter.

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